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WN-Serie „Erinnerungsorte“

Ein verstecktes Kleinod

Warendorf

Sie ist ein echtes „Kleinod“ der Neugotik: Südlich der B 64, etwas versteckt gelegen, befindet sich die Affhüppenkapelle. Erbaut wurde sie von 1854 bis 1858 vom damaligen Diözesanbaumeister Emil von Manger. Heute ist das Bauwerk ein wenig in Vergessenheit geraten, doch bis in die 1950er Jahre diente die Kapelle der Bauerschaft Vohren noch als Gotteshaus. Und auch sonst hat dieser Ort eine bewegte Geschichte.

Sebastian Wemhoff

Idyllischer Ort: Die Affhüppenkapelle in Vohren wurde zwischen 1854 und 1858 errichtet. Markant ist die Architektur aus gelbem Sandstein und rotem Ziegelbau. Foto: Wemhoff

Ein Erinnerungsort im eigentlichen Sinne aber ist die Kapelle wohl in erster Linie für diejenigen, die dort noch selbst Gottesdienste miterlebt haben. Zu diesen Menschen gehört Rudolf Gerbaulet, dessen Familie das Gut Affhüppe geerbt hat. Der 81-Jährige kann sich noch daran erinnern, dass die Kapelle im Zweiten Weltkrieg als Möbellager für die Besitztümer ausgebombter Familien aus Münster diente. Direkt nach Kriegsende, an Pfingsten 1945, sei dann schon wieder der erste Gottesdienst gefeiert worden. Die Messe las damals ein Pfarrer Hermann Zurborn, der aus dem Ruhrgebiet kam. „Die Kapelle war damals vollständig mit Möbeln zugestellt. Der Pfarrer hat dann einen kleinen Raum um den Altar herum freigeräumt, und dort wurde die Messe gelesen“, erzählt Gerbaulet. Die Kirchgänger waren übrigens damals zu einem Großteil Flüchtlinge, die in Vohren untergebracht waren.

In der Nachkriegszeit fanden in der Kapelle dann regelmäßig Schulgottesdienste statt: „Wir sind damals einmal in der Woche mit dem Rad zur Kapelle gefahren“, erinnert sich Bülte, der 1954 als Lehrer an die Vohrener Volksschule kam. Allerdings hätte die Kapelle schon damals eine Renovierung nötig gehabt. In den alten Gemäuern hatten sich bereits Vögel eingenistet, die kreuz und quer durch den Innenraum flogen. Bald darauf fiel die Kapelle endgültig in eine Art „Dornröschenschlaf“:

Das Gebäude verfiel, Diebe raubten Teile der Innenausstattung. In den 1960er Jahren sollte die Kapelle sogar abgerissen werden. Schließlich wurde das ehemalige Gotteshaus als Lapidarium genutzt – also als Depot für kirchliche Ausstattungsstücke.

Diese Funktion hat die Kapelle heute noch. So gesehen ist sie zumindest ein Ort, an dem historische Gegenstände für künftige Generationen bewahrt werden. Das Bistum Münster, das den Bau im April 2015 von der Pfarrgemeinde St. Laurentius übernommen hat, lagert in der Kapelle alte Beichtstühle, Kirchenbänke und Steinplastiken. Dem Bistum gehe es darum, wichtiges Kulturgut der Kirche dauerhaft zu erhalten: „Wir haben uns im Bistum das Ziel gesetzt, diese Dinge, die sonst verloren gehen würden, zu retten“, erläutert Diözesankonservator Dr. Udo Grote.

Seit 1990 steht die Kapelle unter Denkmalschutz. Dem Heimatverein und den Altstadtfreuden liegt das Bauwerk sehr am Herzen. Die Idee, dort ein Museum des Historismus einzurichten, ließ sich aber aus Kostengründen nicht verwirklichen. „Für eine komplette Restaurierung müsste man mehrere Millionen Euro in die Hand nehmen“, schätzt Dr. Michael Reuter, Kunsthistoriker im Bereich Kunstpflege des Bistums. Laurenz Sandmann von den Altstadtfreunden kann sich aber auch eine weniger kostspielige Lösung vorstellen – als Grabeskirche.

In jedem Fall ist die idyllisch gelegene Kapelle ein besonderer Ort. Mitten in der Landschaft, nur durch eine Unterführung erreichbar, ragt die architektonische Schönheit ziemlich unverhofft in den Himmel: „Wenn man hierher kommt, fühlt man sich wie in einer anderen Welt“, beschreibt Grote die Aura des Ortes.

Die Kapelle selbst wirkt eher wie eine ausgewachsene Kirche. Ihr charakteristisches Aussehen verdankt sie dem Mix aus gelbem Sandstein und dunkelroten Ziegeln, die als Baustoffe zum Einsatz kamen. Die Ziegel wurden damals noch in Handarbeit hergestellt, was sich an den leichten Unregelmäßigkeiten in der Ausführung erkennen lässt: „Eine unglaublich aufwendige Arbeit. So etwas findet man heute gar nicht mehr“, staunt Reuter.

Wie aber kommt es, dass an diesem abgelegen Ort überhaupt eine Kapelle steht? Historisch belegt ist, dass es hier schon im 14. Jahrhundert eine Mönchsklause gab. 1695 dann wird in einer Urkunde erstmals eine Kapelle auf dem Gut Affhüppe erwähnt. Während einer Bittprozession von der Alten Kirche (St. Laurentius) zur Affhüppenkapelle soll sich demzufolge vor dem Gnadenbild der Gottesmutter Maria sogar ein Wunder zugetragen haben. Um was für ein Wunder es sich dabei gehandelt hat, darüber schweigen sich die Quellen aus. 1710 wird die alte Hofkapelle dann zunächst durch einen barocken Neubau ersetzt. Die heutige Kapelle ist eine Stiftung Maria Katharina Affhüppes (daher auch der Name Affhüppenkapelle). Gewidmet ist das Gotteshaus Johannes dem Täufer.

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