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Zeitzeugin Katharina Leendertse berichtet von Inhaftierung

In den Fängen der Stasi

Warendorf

Immer wieder stellt man sich bei dem Vortrag von Katharina Leendertse die Frage: „Wie kann ein Mensch das alles aushalten?“ Die gebürtige Sächsin, die jetzt mit ihrem Mann in Warendorf lebt, erzählte gestern Morgen den Schülern der Medienkasse der Höheren Handelsschule von ihrer Stasi-Inhaftierung, von den Demütigungen in den Verhören und der so genannten organisierten beziehungsweise „weißen Folter“.

wn

Gespannt und teilweise auch bestürzt hörten die Schüler der Medienklasse der Höheren Handelsschule der Zeitzeugin Katharina Leendertse (Mitte) zu. Nach dem Vortrag stellten die interessierten Schüler viele Fragen. Foto: Stavesand

Isoliert und nicht wissend, wo sie überhaupt war, wurde sie in der Untersuchungsanstalt der Staatssicherheit (Stasi) in Berlin-Hohenschönhausen Tag für Tag stundenlang verhört und unter menschenunwürdigen Bedingungen festgehalten. Ziel war einzig und allein ihr Geständnis, ein Staatsfeind der DDR zu sein.

Hintergrund ihrer Haft war ein Fluchtversuch nach West-Berlin. In den Ferien vor ihrem Abitur hatte sie dort nämlich 1955 ihren Mann kennengelernt, mit dem sie in zwei Jahren Goldene Hochzeit feiert. Bis zu ihrer Festnahme 1964 habe das Paar Berlin als Schlupfloch genutzt, um sich zu treffen. Nach dem Mauerbau 1963 war dies nicht mehr möglich, so dass Leendertse für eine glückliche Zukunft nur noch die Flucht blieb.

Aufgeflogen durch einen Stasi-Spitzel innerhalb der West-Berliner Fluchthelfergruppe wurde die 74-Jährige aus dem Auto gezerrt und von einem Dutzend Grenzsoldaten mit Waffen und scharfen Hunden bedroht – ein Szenario, das sie nie vergessen werde. Dies gelte aber genauso für die Inhaftierung. Aus den Methoden zur Zermürbung resultierte nicht nur bei Leendertse ein Trauma. „Alle Biografien der Häftlinge wurden durch die Stasi zerstört“, sagte die Zeitzeugin. „Sie wollten die Häftlinge an die Grenzen der psychischen Belastung bringen, um so ein Geständnis zu erzwingen. Dafür war jede psychische Folter Recht.“

Die winzige Zelle von Leendertse war blau-schwarz gestrichen. „Man fühlte sich wie in einem Sarg“, verriet sie. „Man hörte nichts und starrte stundenlang auf die dunklen Wände. Die Müdigkeit und gleichzeitige psychische Anspannung führte zu Konzentrationsstörungen bis hin zu Halluzinationen“, schildete die 74-Jährige die Strapazen der Haft.

Gespannt, aber gleichzeitig bestürzt hörten die Schüler Katharina Leendertse zu. Jetzt konnten sie sich ein Bild davon machen, was sich in der Stasi-Unterssuchungsanstalt genau ereignete. Denn diese hatten die Schüler auf einer Studienfahrt Mitte März besucht.

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