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Emotionale Aussagen im Mordprozess Johanna K.

„Er war wie ein großer Bruder"

Warendorf/Münster

Tränen einer offenbar traumatisierten Zeugin und der trauernden Mutter, Details zur Ermittlung der Mordkommission und weitere Zeugenaussagen kennzeichneten den vierten Tag der Hauptverhandlung vorm Landgericht.

Von Jörg Pastoor

Am Donnerstag  wird das Hauptverfahren gegen den Ennigerloher Angeklagten im Mordfall Johanna fortgesetzt. Foto: Jörg Pastoor

Als der Beamer ein Porträtfoto von Johanna K. auf die Leinwand in Saal A23 des Landgerichts projizierte, schluchzte Johanna K.s Mutter auf. Die seit Beginn der Verhandlung gegen den Angeklagten stets schwarz gekleidete, zierliche Frau hatte nach der Mittagspause im Zuschauerraum Platz genommen, um der Verhandlung zu folgen.

Kurz zuvor hatte auch eine junge Frau im Zeugenstand ihre Tränen nicht mehr zurückhalten können. Die 23-Jährige, ehemalige Mitschülerin des heute 31 Jahre alten Angeklagten und der am 9. November getöteten Johanna, hatte eines der Bekennervideos vom damals noch als Beschuldigter gesuchten Mann erhalten. Zunächst gefasst, erklärte die junge Frau auf Fragen der Vorsitzenden Richterin, wie sie, der Angeklagte und Johanna zu Freunden geworden waren.   

Mutter verliert kurz die Fassung

„Er war ein Kumpel, so wie ein großer Bruder", fand sie, nachdem er und sie über die Berufsschule nach und nach „eine schöne Freundschaft" entwickelt hätten. Johanna und sie, sie seien die engsten Bezugspersonen für den Angeklagten geworden. Deshalb habe sie, so die Zeugin, auch eine gute Freundin sein und ihm helfen wollen, als der Kumpel plötzlich von seinem angeblichen Lungenkrebs erzählt habe. Von einer hoffnungslosen Diagnose, vielen Operationen, nach denen ihm auch das Sprechen schwer fiel. Von Chemotherapie. Dem Verdacht auf einen Befall des Gehirns.  

Die zweite Zeugin über den Angeklagten

Machmal sei es auch konfus geworden. Die Geschichte von seinem Auftrag zur Rekrutierung von Soldaten für den Klassenkampf in Venezuela habe sie nicht verstanden. Ihm das auch mitgeteilt. Er habe dann einmal schnippisch reagiert, aber sei nie übergriffig gewesen. Um ihn auf seinem mutmaßlich letzten Weg zu begleiten, habe sie sogar Kurzreisen mit ihm gemacht. Sich nichts dabei gedacht, bei Brügge in einem Tiny Haus mit ihm zu übernachten. Dass er in Brügge unbedingt mit ihr in ein Foltermuseum wollte, habe sie zwar irgendwie verwundert registriert, dem aber auch nichts weiter beigemessen. Anders, „gruselig", sei ein Spruch von ihm bei ihr angekommen: „Wie gut, dass ich Krebs bekommen habe. Vielleicht wär' ich mit 30 Serienmörder geworden."

Soldaten für Venezuela rekrutieren

Auf weitere Fragen, fast Bitten, ihn wegen der wenigen ihm bleibenden Zeit wieder auf Tripps zu begleiten - unter anderem zu einer Nacht am Meer - habe sie dann aber nach Rücksprache mit Freunden aber Nein gesagt. Bei ihrem letzten persönlichen Treffen habe er sie dann auch noch zu einem längeren gemeinsamen Urlaub überreden wollen. Auch darauf sei sie nicht eingegangen. Zumal sie auch an Johannas Grund für deren Streit mit dem Angeklagten dachte, den sie ein „manipulatives Arsch" genannt habe. Das große Pflaster auf der - nicht vorhandenen - OP-Narbe des Angeklagten habe sie selbst gesehen. Nach dem Erhalt des Video-Geständnisses sei ihr dann klar geworden, dass das vorher detailreich Erzählte Lüge gewesen sei: „Es war alles falsch."

Als die Richterin dann nach ihrer aktuellen Verfassung fragte, sank die Zeugin leicht in sich zusammen und antwortete unter Tränen. „Ich habe Angst. Ich denke darüber nach was passiert, wenn er vielleicht in 15 Jahren freikommt." Und in Gedanken an die tote Johanna, über deren Tod sie noch gar nicht habe richtig trauern können: „Ich hätte es sein können! Aber ich bin hier." Sie hoffe, dass ihre Aussage dazu beitragen könne, andere zu schützen, dass man erkenne, „dass er gefährlich ist."

Die Zeugin über ihre psychische Situation

Eine andere ehemalige Mitschülerin und Kollegin aus dem engeren Kreis an der Berufsschule schilderte regelmäßige Alkoholabstürze des Angeklagten, so intensiv, dass er tags darauf Erinnerungslücken gehabt habe. Er habe einen „dunkel-makabren" Humor gehabt, sei schadenfreudig gewesen, sie habe aber nie Streit mit ihm gehabt. Johanna und er, die seien richtig gut berfreundet gewesen und hätten viel Zeit miteinander verbracht. Aber aus Johannas Sicht sei das alles rein platonisch gewesen. „Sie hatte ja einen Freund." Dennoch sei sie „supertraurig" gewesen, als die mutmaßliche Krebsdiagnose bekannt wurde. Als die Zeugin vom Streit zwischen Johanna und dem inzwischen als Nachtbereitschaft für eine Jugendeinrichtung arbeitenden Ex-Kollegen erfahren habe, habe sie das bedauert. Der sei wegen Johannas Art, Verabredungen oft kurzfristig abzusagen, „völlig ausgerastet" und sie habe gar nicht verstanden, warum er „direkt auf 180 gegangen ist".     

Der Leiter der Mordkommission erzählte von der Suche nach dem Mann. Als die login-Daten von dessen Smartphone klarmachten, dass er während des Todeszeitpunkts von Johanna in deren unmittelbarer Nähe gewesen sein musste, war der Ennigerloher zum Beschuldigten geworden. Und es habe geheißen, er sei auf dem Weg zur heutigen zweiten Zeugin. Da habe man plötzlich einen „Gefahrenüberhang" gehabt. Doch der Angeklagte sei eben nicht zur Zeugin gefahren. Am 15. November um 13 Uhr klickten 40 Kilometer von Madrid entfernt die Handschellen beim Fahrer des Dacia mit dem „WAF"-Kennzeichen. In dem auch das iPhone von Johanna lag. Seitdem versuchen Ermittler, ohne Passwort an die Daten im Gerät  zu kommen. Bis heute erfolglos. Und der mutmaßliche Täter schweigt weiter.

Die Verhandlung wird Donnerstag fortgesetzt.

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