Faszinierende Tanz-Performance im Pumpenhaus
Boxhandschuhe an den Füßen
Münster
Ein dunkler Raum, irgendwo ein rhythmisches Patschen – ein nicht einzuordnendes Geräusch im Theatersaal des Pumpenhauses. Sobald die sparsame Beleuchtung den Raum etwas erhellt, sieht man die knallroten Boxhandschuhe, die sich Tänzerin Lei Yan zu Beginn ihres Tanzsolos „I Didn’t Say Anything“ über die Füße gezogen hat und mit denen sie, scheinbar entspannt auf dem Rücken liegend, auf den kahlen Boden patscht.
Lei bewegt sich nun auf dem Boden, krabbelt in Rückenlage, irritiert das Auge durch die in Fäuste verwandelten Füße in den Boxhandschuhen und wird zum Mischwesen zwischen Frau und Insekt. Nach wenigen Minuten werden Fragmente einer gebellten Rede des italienischen Diktators Mussolini, die von euphorischem Beifall begleitet werden, zugespielt. Lei wechselt mehrfach von Rückenlage in Bauchlage, schlägt die Boxhandschuhe immer wieder gegeneinander oder auf den Boden, reckt sie in die Luft, unterstützt damit auf irreale Weise den verzerrten Beifall der unsichtbaren Massen. Obwohl eigentlich gehunfähig durch die Boxhandschuhe, wagt Lei einige Schritte, tänzelt also ein paar Meter auf den Schlagflächen und wirkt dabei sehr verletzlich. Dann zieht sie die Boxhandschuhe aus, scheint das Gehen auf den Füßen neu zu erlernen, indem sie jeden Fuß mit den Händen aufsetzt und dann nach vorn schiebt. Zuerst blitzschnell, dann in Zeitlupe rollt sie später über den Bühnenboden, tieffrequente elektronische Töne mit Schwebungen sorgen für eine latent unangenehme akustische Atmosphäre. Eine Art einarmiger Flic Flac rückwärts aus dem Stand zeigt noch einmal ihre verblüffende Kondition. Viele Mikroszenen machen jede Sekunde spannend, kommen mit scheinbarer Leichtigkeit wohltrainierter Tänzermuskeln daher.
In einer abschließenden Fragerunde, moderiert von Caspar Spinnen, betonten Tänzerin Lei Yan und Choreograf Lian Guodong, dass die Show kein politisches Statement, sondern individuelle Auseinandersetzung mit Bewegung, Raum und Geräuschen sei.
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