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Gespräch mit Pfarrer Pawel Czarnecki

„Wir wollen Seelsorge mit Gesicht“

Everswinkel

Vor 21 Jahren schlossen sich die Pfarrgemeinden von St. Magnus und St. Agatha zu einer Pfarreiengemeinschaft zusammen. Vor fast 14 Jahren folgte die Fusion. Jetzt wird von neuen „pastoralen Räumen“ gesprochen. Was dahinter steckt, erklärt Pfarrer Pawel Czarnecki.

Von Klaus Meyer

Pfarrer Pawel Czarnecki von der Pfarrgemeinde St. Magnus-St. Agatha erklärt die strukturellen Veränderungen im nächsten Jahr. Foto: Klaus Meyer

Der Zusammenschluss von St. Magnus und St. Agatha 2002 zu einer Pfarreien-Gemeinschaft, 2006 zu einer Seelsorgeeinheit und schließlich 2009 mit der Zusammenlegung bzw. Fusion der beiden Kirchengemeinden war eine Konsequenz von knapper werdendem seelsorgerischem Personal. Dass das noch nicht das Ende des Weges sein wird, konnte man schon damals ahnen, oder?

Czarnecki: Vor über 20 Jahren haben im Bistum Münster bzw. in den Pfarreien vor Ort die ersten Veränderungsprozesse begonnen. Die Gründe sind vielschichtig: sinkende Gläubigenzahlen, weniger Seelsorgerinnen und Seelsorger, zu erwartende sinkende Kirchensteuerzahlen. Die teilweise auch von oben angeordnete Zusammenlegung von Pfarreien ist vielerorts nicht reibungslos verlaufen. Sie hat leider auch manches ehrenamtliche Engagement gekostet. Ich bin dankbar, dass aufgrund dieser Erfahrung das Bistum einen neuen Weg gemeinsam mit den Gemeinden und Gläubigen vor Ort im Jahre 2021 gestartet hat. Es ist ein Prozess auf Augenhöhe. Die Eigenständigkeit der Pfarreien wird nicht in Frage gestellt.

Der Telgter Propst Dr. Michael Langenfeld kündigte jetzt beim Neujahrsempfang der Telgter Kirchengemeinde an, dass es zum 1. Januar 2024 „größere strukturelle Veränderungen“ und einen „gemeinsamen pastoralen Raum“ von Telgte, Ostbevern und Everswinkel geben werde. Ein „TEO“-Verbund also im kirchlichen Bereich. Was ist da zu erwarten?

Czarnecki: Bei dem Neujahrsempfang in Telgte hat Propst Langenfeld kein großes Geheimnis verraten. Über solche Pläne wurde in Everswinkel schon im November 2021 bei der Pfarrversammlung informiert. Kirchenvorstand und Pfarreirat haben sich inzwischen ebenfalls mehrfach damit beschäftigt. Beide Gremien haben im August 2022 bei der Veranstaltung in Warendorf grundsätzliche Bereitschaft zur Kooperation mit Telgte und Ostbevern signalisiert. Ich denke, es ist wichtig zu sagen, dass die Gründung von pastoralen Räumen ein Strukturprozess ist, der am 1. Januar 2024 nun ganz konkret Gestalt annimmt, indem Bischof Felix zunächst einmal die räumlichen Grenzen verbindlich festlegt. Eine Kooperation von Everswinkel, Ostbevern und Telgte liegt dabei nahe, da sich hier die Lebensräume der Menschen auch außerhalb des kirchlichen Lebens überschneiden. Der Prozess soll bis ins Jahr 2040 laufen.

Pastoraler Raum als zukünftiger Einsatzort

Es geht ja offenbar vor allem um die Hauptamtlichen in den Kirchengemeinden. Werden die künftig mehr bewältigen müssen?

Czarnecki: Bis jetzt waren die Hauptamtlichen vom Bischof entsandt, in der Regel nur in einer konkreten Pfarrei zu arbeiten. Der zukünftige Einsatzort wird der neue pastorale Raum sein. Wir werden uns also gegenseitig unterstützen und gegebenenfalls auch Talente, zum Beispiel in der kategorialen Seelsorge (Kinder, Jugend, Schule, Kranke, Senioren, usw.), besser aufteilen. Alle drei Teams aus Everswinkel, Ostbevern und Telgte treffen sich, um die vielfältigen seelsorgerischen Angebote kennenzulernen und über mögliche Gestaltung der Arbeit in der Zukunft zu diskutieren. Wichtig ist uns dabei, dass es weiterhin Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner gibt, die hier mit den Menschen vor Ort leben und arbeiten. Wir wollen Seelsorge mit Gesicht und nicht nur Hauptamtliche, die zum Gottesdienst eingeflogen kommen. Im neuen pastoralen Raum sollen in der Regel acht hauptamtliche Personen arbeiten. Auch die Übernahme von Leitungsfunktionen in gemeinsamen haupt- und ehrenamtlichen Teams soll Talente besser nutzen.

Konkret sprach der Propst davon, dass bis 2040 rund die Hälfte dieser Stellen nicht mehr vom Bistum garantiert wird. Was kann das für St. Magnus und St. Agatha konkret bedeuten?

Czarnecki: Es ist eine Tatsache, dass sich alleine bis 2030 die Anzahl der im Dienst aktiven Priester im Bistum Münster halbieren wird. Jede Versetzung oder der Ruhestand von Hauptamtlichen wird eine erkennbare Lücke hinterlassen, denn diese Stellen werden in der Regel nicht neu nachbesetzt. Man sieht also, dass der neue Strukturprozess ein notwendiger Veränderungsprozess ist. Unsere Pfarrei ist aktuell personell sehr gut aufgestellt. Aber auch wir werden in der Zukunft diese Veränderung spüren. Wann das in den nächsten zehn Jahren sein wird, kann heute niemand seriös sagen. Ich bin mir aber sicher, dass es weiterhin hauptamtliche Seelsorgerinnen und Seelsorger geben wird, die in Everswinkel oder Alverskirchen leben und arbeiten werden.

Pfarrer Pawel Czarnecki ist „froh und dankbar“, in der Pfarrgemeinde viele ehrenamtlich engagierte Menschen zu haben.  Foto: Klaus Meyer

Ehrenamtliche sollen noch stärker als bisher in die Arbeit eingebunden werden. Was könnte denn hier vor Ort von Ehrenamtlichen zusätzlich übernommen werden?

Czarnecki: Schon heute übernehmen zahlreiche Ehrenamtliche in Pfarreiräten und Kirchenvorständen wichtige und unverzichtbare Aufgaben in der Seelsorge und der Verwaltung der Kirchengemeinde. Ich glaube, dass wir zukünftig gemeinsame Leitungsstrukturen mit Ehrenamtlichen haben werden. Dabei müssen wir stets die Talente im Blick behalten.

Viele engagierte Menschen

Gäbe es denn das nötige ehrenamtliche Interesse?

Czarnecki: Ich bin froh und dankbar, dass wir in der Pfarrei St. Magnus/St. Agatha viele engagierte Menschen haben. Das große Jubiläum von St. Magnus wäre ohne ehrenamtliches Engagement nicht möglich gewesen. Gemeinsam mit dem Bistum wollen wir erarbeiten, wie das kirchliche Ehrenamt gestärkt und gefördert werden kann. Dabei ist es wichtig, zu erkennen, dass Berufung niemals davon abhängig ist, ob man haupt- oder ehrenamtlich aktiv ist. Berufung heißt, dass man innerlich für eine Sache brennt. Ich bin mir sicher, dass wir auch in Zukunft diese Menschen hier bei uns haben werden.

Bis zum Stichtag 1. Januar 2024 sind es nur noch 338 Tage. Wann wird das Thema denn hier in der Pfarrgemeinde öffentlich diskutiert?

Czarnecki: Nun ich denke, erst dann, wenn seitens des Bistums konkrete Pläne zur inhaltlichen Gestaltung der neuen Räume vorgestellt werden. Unabhängig davon trafen sich in dieser Woche die Vorstände der Pfarreiräte, um zu schauen, was in Everswinkel, Telgte und Ostbevern möglich ist. Zu einem späteren Zeitpunkt wird sicherlich zum Austausch eingeladen.

Pfarrei um zehn Prozent geschrumpft

Die Katholische Kirche verliert seit Jahren jährlich massiv Mitglieder durch Kirchenaustritte. Die Gründe und Umstände sind bekannt. Was kann Kirche vor Ort tun, um diesen Trend zu stoppen?

Czarnecki: In der Tat, nur in den letzten drei Jahren ist unsere Pfarrei um knapp zehn Prozent  kleiner geworden. Nicht nur aufgrund der Kirchenaustritte – auch der demografische Wandel (Verhältnis zwischen Taufen und Beerdigungen bzw. Geburten und Sterbefällen) wirkt sich massiv aus. Eine Entwicklung, die schmerzt und leider überall zu beobachten ist. Wir können durch gute und engagierte Arbeit vor Ort nur begrenzt entgegenwirken. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass wir authentisch als Christinnen und Christen vor Ort leben. Gute Erfahrungen bei der Erstkommunion oder bei einem Trauerfall sind von großer Bedeutung. Menschen spüren so, dass Gott in der Gemeinschaft der Kirche wirkt. Am Ende sind das die positiven Begegnungen mit Gott und seinem „Bodenpersonal“.

Wie bedeutsam ist seelsorgerische Tätigkeit Ihrer Meinung nach in heutiger Zeit – einer Zeit, die durch Krieg, Ängste, Unsicherheit, Armut und Zukunftssorgen geprägt ist?

Czarnecki: Wahrscheinlich ist die Seelsorge oder die Kirche im Allgemeinen für weite Teile der Gesellschaft nicht mehr „systemrelevant“. Dennoch gibt es und in der Zukunft wird es Menschen geben, die sich an die Seelsorger in verschiedensten Lebenssituationen wenden werden mit ihren Fragen, Ängsten und Bedürfnissen. Unsere Aufgabe als Hauptamtliche ist es, gute und authentische Seelsorge anzubieten und den Menschen in den Höhen und Tiefen des Lebens beizustehen. Die vielen Kerzen, die tagtäglich in St. Magnus und in St. Agatha angezündet werden, sind ein sichtbares Zeichen für die religiösen Bedürfnisse der Menschen. Wir müssen uns als Kirche dabei mehr den Lebenswirklichkeiten der Menschen stellen. Dabei ist es wichtig, sie an der Anfangshaltestelle abzuholen und nicht vergeblich auf sie an der Endhaltestelle zu warten. Das hat uns Christus vorgelebt.

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