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Verwirrung bei Kinder und Eltern

Professor Fischer sieht das Schreiben nach Lust und Laune kritisch: „Mehr Probleme mit Rechtschreibung“

Münster

Christian Fischer, Professor für Erziehungswissenschaften an der Uni Münster, findet es problematisch, dass Kinder heute nach Lust und Laune, aber nicht nach Rechtschreibregeln lesen und schreiben lernen. Das sagte er im Interview mit unserem Redaktionsmitglied Stefan Werding.

wn

Grundschüler dürfen heute beim Schreiben so viele Fehler machen wie sie wollen. Wie finden sie das?

Christian Fischer: Na ja, der aktuelle Spracherfahrungsansatz führt zwar dazu, dass die Kinder sehr schnell sehr große Erfolge haben und sie oft schon nach ersten Wochen erste Texte schreiben können. Allerdings sind das Texte in der so genannten Privatschreibung, die sich von der deutschen Orthografie zumeist deutlich unterscheidet. Die große Krux der deutschen Sprache ist, dass sie nur bedingt lautgetreu ist.

Wo ist das Problem?

Fischer: Die Kinder verhaften oftmals viel zu lange in dieser Privatschreibung und die Lehrkräfte machen den Kindern häufig nicht früh und deutlich genug klar, dass die Normschreibung eine andere ist. Das führt bei den Kindern zur Verwirrung. Erst wird diese Privatschreibung durchaus akzeptiert und gefördert und dann sagen ihnen einige Lehrkräfte plötzlich: „So, wie du das geschrieben hast, ist das nicht richtig.“

Ab wann werden die Fehler denn korrigiert?

Fischer: Lehrkräfte achten ab dem dritten Schuljahr verstärkt auf die korrekte Rechtschreibung. Häufig sind es aber auch die Eltern, die ihre Kinder auf die Fehler hinweisen und anfangen, sie zu berichtigen. Das führt nicht selten zu Konflikten zwischen Lehrkräften und Eltern. Die Lehrkräfte sagen dann den Eltern: „“Lassen Sie das, Sie demotivieren doch Ihr Kind.““ Auch die Eltern sind da völlig verunsichert – völlig zu Recht, weil sich diese Privatschreibung in einer Form einprägen kann, die den Kindern später möglicherweise Schwierigkeiten bereitet. Vielen ist nicht bekannt, wie schwierig es ist, lange Zeit falsch geschriebene Wörter noch mal in der korrekten Rechtschreibung zu lernen.

Vielleicht hat die Rechtschreibung auch nicht mehr die Bedeutung, die sie schon mal hatte.

Fischer: In Zeiten der Fibelmethode, in denen die Rechtschreibung eine größere Rolle an den Schulen spielte, war die Zahl der Kinder mit Schwierigkeiten in der Rechtschreibung niedriger. Umgekehrt steigt in Zeiten, in denen man wenig Wert darauf gelegt hat, die Zahl der Kinder mit Rechtschreibschwierigkeiten - wie momentan durch die Methode „Lesen durch Schreiben“. Das hat dazu geführt, dass die Kinder mit Rechtschreibschwierigkeiten deutlich zugenommen haben. Das ist inzwischen auch in den Gymnasien ein Problem. Es gibt mittlerweile viele Gymnasien, die die Rechtschreibung speziell fördern. Selbst einige Kollegen an der Universität stellen schon fest, dass die Zahl der Studierenden mit Rechtschreibschwierigkeiten zugenommen hat.

Warum ist es überhaupt noch wichtig, dass Kinder richtig schreiben?

Fischer: Sprache ist Kommunikation. Dabei ist es natürlich wichtig, dass Sender und Empfänger ähnliche Botschaften haben und gleiche Zeichensysteme nutzen. Rechtschreibung ist wichtig für Verständigung. Darum ist es wichtig zu wissen: Wie prägen sich Kinder Wörter eigentlich ein? Welche Strategien verwenden Kinder? Bei allem Verständnis für die Motivation der Kinder muss man auch darauf hinweisen, dass die Normschreibung eine andere ist als die Privatschreibung. Selbst die Zeichensetzung ist wichtig. Unterschiedliche Zeichensetzung kann den Sinn eines Satzes völlig verändern.

Satzzeichen können sogar Leben – wie der Satz „Wir essen jetzt(,) Opa“ beweist. Was schlagen Sie vor?

Fischer: Ich halte es für wichtig, dass Lehrkräfte wissen, welche Auswirkungen die verschiedenen Methoden haben. Sie müssen wissen, dass „Lesen durch Schreiben“ die Motivation sehr fördert. Sie müssen aber auch wissen, nach wie vielen verschiedenen Prinzipien Kinder Schreiben und Lesen lernen. Letztlich gilt es, eine gesunde Balance für Lehrkräfte in ihrem Deutschunterricht zu finden.

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