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Kinderkliniken melden steigende Fallzahlen

Alarm in Kinderkliniken: RS-Virus beunruhigt im Münsterland

Münsterland

Die gute Nachricht vorweg: Bei den meisten Kindern verläuft eine Infektion mit dem RS-Virus glimpflich. Trotzdem sorgt das Respiratorische Synzytial-Virus für große Nervosität. Denn die Fallzahlen gehen durch die Decke – und in den Kinderkliniken wird es eng.

Von Gunnar A. Pier, Gisela Gross und Annett Stein

Beatmung für die Kleinsten: Das RS-Virus setzt besonders Säuglingen und Kleinkindern zu. Foto: dpa

In mehreren Bundesländern, darunter Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, gebe es schon jetzt kaum ein freies Kinderbett in Kliniken mehr, sagte Hoffmann, Generalsekretär der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) und Oberarzt im Dr. von Haunerschen Kinderspital in München. Er sprach von „Katastrophenzuständen“ - Familien mit kranken Kindern müssten teils in der Notaufnahme auf einer Pritsche schlafen. Das sei für Deutschland ein Armutszeugnis. Viele betroffene Kinder seien schwer krank und müssten beatmet werden.

„Riesenproblem“ auch im Münsterland

Dabei verläuft eine Infektion bei den meisten Kindern glimpflich. „Sie werden ambulant betreut“, erklärt Prof. Dr. Heymut Omran, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Uniklinikum in Münster (UKM). Doch die massiv ansteigenden Fallzahlen stellten das Gesundheitssystem vor Schwierigkeiten: „Dass so viele gleichzeitig erkranken, ist ein Riesenproblem“.

Warteschlangen bei den Kinderärzten

Das zeige sich nicht nur in Warteschlangen vor den Kinderarztpraxen, sondern auch in der Krankenhauswelt. Erste Anlaufstelle ist das Krankenhaus vor Ort. Wenn das nicht mehr helfen kann, weil etwa eine Versorgung der Kleinkinder mit Sauerstoff nötig ist, kommt beispielsweise das UKM ins Spiel. „Seit einigen Tagen bekommen wir regelmäßig Anfragen für die Verlegung von Patienten“, so Omran. Andere, mitunter auch weiter entfernte Kliniken suchen nach freien Betten für die intensivmedizinische Versorgung. Die Uniklinik bemüht sich, Betten wieder frei zu machen, indem stabilisierte Patienten zurück verlegt werden in Kliniken der Regelversorgung. Ein unbequemes Hin und Her für die Patienten – doch das geschieht aus gutem Grund.

Dramatik nimmt zu

Die Lage sei in diesem Jahr deutlich schlimmer als in den Vorjahren. „Und sie wird noch schlimmer“, ist Omran sicher. Bereits im Spätsommer 2021 hatte es eine unüblich hohe RSV-Welle gegeben - die Lage aktuell sei aber schlimmer, sagte Hoffmann. Nicht nur in Deutschland, generell auf der Nordhalbkugel gebe es ein „dramatisches epidemisches Geschehen“. Betroffen seien viele Kinder von ein oder zwei Jahren, die - auch angesichts der Corona-Pandemie und der dagegen getroffenen Maßnahmen - bisher keinerlei Kontakt zum RSV hatten, erklärte Divi-Generalsekretär Hoffmann.

Gestiegene Fallzahlen melden auch die Kliniken in der Fläche. „Die Lage ist angespannt“, sagt etwa Tobias Rodig, Sprecher des Klinikverbunds Westmünsterland mit einer Kinderklinik in Bocholt. Die Versorgung sei dennoch gewährleistet.

Ein Arzt untersucht in einer Kinderklinik ein Kind. Foto: dpa/Sebastian Gollnow/Archivbild

Wochenbericht des RKI

Im aktuellen RKI-Wochenbericht heißt es, die Zahl akuter Atemwegserkrankungen generell sei nach Daten der Online-Befragung „GrippeWeb“ im Vergleich zur Vorwoche deutlich gestiegen. In der Woche bis 20. November lag sie demnach mit etwa sieben Millionen über dem Bereich vorpandemischer Jahre.

Dies schlägt sich auch in der Erfassung der mit schweren akuten respiratorischen Infektionen (Sari) neu im Krankenhaus aufgenommener Patientinnen und Patienten nieder: Aktuell werden bedingt durch die ungewöhnlich starke RSV-Zirkulation deutlich mehr Sari-Fälle bei den bis 4-Jährigen verzeichnet als in den vorpandemischen Jahren und im Vorjahr, wie es vom RKI hieß. Auch in den folgenden Altersgruppen bis 14 Jahre liegen die Sari-Werte demnach auf einem sehr hohen Niveau.

Neue Zahlen in der kommenden Woche

Zur Situation in der Kinderintensivmedizin will die Divi kommende Woche in Hamburg neue Zahlen - und damit einhergehende Forderungen und Lösungsvorschläge zur Verbesserung der Versorgung schwerstkranker Kinder - vorstellen. „Wir werden diesen Winter nicht mehr alle versorgen können. Die Kollegen landauf landab wissen nicht wohin mit unseren kleinen Patienten“, sagt sagte Hoffmann. Strukturen zur Bewältigung der Situation seien nicht vorhanden und die vorhandenen Register zur Bettensituation aus Zeitmangel oft nicht aktuell. „Wir müssten nun eigentlich Notfall-Mechanismen aktivieren, zum Beispiel Pflegepersonal aus der Erwachsenenmedizin hinzuziehen.“

Besonders gefährlich für Kleinkinder und Säuglinge

An RSV kann man in jedem Alter erkranken, aber vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern ist der Erreger bedeutsam. Es kann sich um eine einfache Atemwegsinfektion handeln, aber auch schwere Verläufe bis hin zum Tod sind möglich. Zu Risikopatienten zählt das RKI zum Beispiel Frühgeborene und Kinder mit Lungen-Vorerkrankungen, aber auch generell Menschen mit Immunschwäche oder unterdrücktem Immunsystem.

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