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Ende der Maskenpflicht: Was die neue Freiheit mit den Menschen macht
Münster
Die Zeiten strenger Corona-Regeln sind lange vorbei – nun ist auch die Maskenpflicht in den letzten Bereichen passé. Doch wie gehen die Menschen mit dieser neuen Freiheit um? Und was macht sie mit ihren Gefühlen?
So ganz genau lässt sich gar nicht mehr sagen, wann die Entwicklung eingesetzt hat. Waren die Menschen in den Hoch-Zeiten der Pandemie noch gezwungen, sogar auf den Parkplätzen mancher Supermärkte Masken zu tragen, so breitete sich in den vergangenen Monaten eine immer größere Lässigkeit zwischen Gemüseregal und Käsetheke aus. Bisweilen scheint es mittlerweile, als wäre nur noch das Personal mit Mund- und Nasenschutz ausgestattet – unter den Kunden sind Maskenmann und Co. mittlerweile Exoten.
Spätestens mit der neuen Freiheit in Bus und Bahn – Arztpraxen oder Pflegeheime sind die letzten Reservate verordneter Vorsicht – hat sich nun aber ein Phänomen im Alltag eingenistet, das weniger die Gesundheit als die Gesellschaft betrifft: Wie geht die vermutete Mehrheit der freiheitlich Frohlockenden mit der Minderheit der Maskentreuen um? Und mit welchen Gefühlen ordnet man sich selbst der einen oder anderen Gruppe zu?
Hört man eigentlich noch von Schwurblern?
Über lange Zeit gab es die Frontstellung zwischen jenen, die selbst härteste Lockdown-Regeln brav befolgten, und den Kritikern der Vorschriften, die sich persönliche Verstöße leisteten oder gar staatliche Verschwörung witterten.
Über deren Haltung sagte die Psychologin Melanie Steffens aus Koblenz dem SWR: „Wenn man Regelungen vorgibt und Gesetze einführt, die die Freiheit der Menschen einschränken, dann reagieren viele Menschen mit Reaktanz. Das ist so ein bisschen wie die Trotz-Phase bei Kindern im Alter von drei Jahren. Dann hat man sofort den Wunsch, seine Freiheit zurückzugewinnen. Als es beispielsweise um die Diskussionen um nächtliche Ausgangssperren ging, haben sich viele Menschen aufgelehnt, die sowieso nie abends nach 10 Uhr die Wohnung verlassen. Einfach, weil sie nicht mehr gedurft hätten.“


Seit nun durch Omikron und das Schwinden schwerer Corona-Fälle kaum mehr Grund zur Panik mehr besteht, seit sogar Christian Drosten Entwarnung gibt und Karl Lauterbach die Fehler mancher Maßnahmen benennt, fallen die Masken und Abstandsübungen schneller als in früheren Corona-Sommern die Sieben-Tage-Inzidenz. Begriffe wie Herdenimmunität oder
R-Wert, vor zwei Jahren noch in aller Munde, haben sich aus dem Sprachgebrauch weitgehend verabschiedet, und die Warnungen der Corona-App entlocken vielen Nutzern nur noch ein Lächeln – sofern sie überhaupt noch eintreffen. Hört man eigentlich noch von Impfgegnern oder gar Schwurblern?
Die neue Freiheit
Während der Maskenzeit stellte sich schnell Unmut ein, wenn jemand versehentlich mal oben ohne herumlief: wie unsozial und gefährlich! Nun scheint das Gegenteil um sich zu greifen: Sind die Maskenträger nicht angstgetriebene Übertreiber? Über die soziale Kontrolle und ihre Wirkung sagt Psychologin Melanie Steffens: „Wenn viele beim Einkaufen keine Maske tragen, kann so etwas wie ein Herdentrieb einsetzen. Das sind soziale Normen, die in einer Situation entstehen. Wenn man abweicht von den anderen und sich als einzige Abweichlerin fühlt, dann hat man eine Tendenz, sich an das Verhalten der anderen anzupassen und fühlt sich komisch. Es ist einem unangenehm. Um dann eine Maske zu tragen, müsste man sich erstmal über die soziale Norm hinwegsetzen.“
Womöglich wurzelt mancher Konflikt auch in der Drastik früherer Vorschriften. Wer sich etwa an Theaterbesuche mit Impfpasskontrolle, Foyer-Sperrung und Darsteller hinter Plastikvisieren erinnert, der mag jetzt volle Zuschauerreihen genießen, in denen nur hier und da noch eine Maske auftaucht. Kontraste zwischen drakonischen Regeln im Bahnverkehr des Heimatlandes und Maskenfreiheit bei den Nachbarn trugen nicht eben zur Akzeptanz der Regeln bei.
Maske auf in Menschenmengen, Maske ab in frischer Luft
Die neue Freiheit aber erlaubt es ja auch, sich freiwillig dort einzuschränken, wo es der Sicherheit der Mitmenschen dient. Maske auf in Menschenmengen, Maske ab in frischer Luft – oder auch mal, wenn die Nase juckt oder man einem anderen mit offenem Gesicht und Sicherheitsabstand begegnen möchte: Das geht. Fest steht zudem: Im Vergleich zu den Anfangszeiten der Pandemie ist es richtig billig geworden, an die wertvollen Masken zu kommen. Das bisschen Vorsicht kann man sich also jenseits sozialer Differenzen leisten.
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