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NRW-Landespolitik in 2016

Der Wahlkampf kündigt sich an

Die Gesetze sind gemacht. Ein Großteil der Projekte, auf die sich SPD und Grüne im Koalitionsvertrag von 2012 verständigen konnten, ist abgearbeitet. Große Reformen kündigen sich für 2016 nicht mehr an. Im Gegenteil: Im Jahr vor der Abstimmung in Nordrhein-Westfalen werden sich die Parteien langsam in Richtung Wahlkampf vorarbeiten. 2016 wird es deswegen in der Landeshauptstadt ein wenig schriller werden. Ein Ausblick auf die wichtigsten landespolitischen Themen des Jahres 2016.

Fabian Klask

CDU-Landeschef Armin Laschet (Bild links) möchte im Jahr 2017 mit Christian Lindner (Bild rechts) die Regierung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und Sylvia Löhrmann (Grüne) ablösen. Der Wahlkampf dürfte bereits 2016 beginnen. Foto: dpa

Flüchtlinge unterbringen

NRW-Innenminister Ralf Jäger geht mit einem Versprechen ins neue Jahr, an dem er sich messen lassen muss: NRW werde „die Qualität der Unterbringung verbessern“. Auch mit der Hilfsbereitschaft der Kommunen will das Land pfleglicher umgehen: Notunterkünfte per Eilanordnung soll es nicht mehr geben. Herausforderung und Ungewissheit bleiben: Wie viele Menschen 2016 kommen werden, wagt niemand zu prognostizieren. 2015 hat NRW insgesamt 310000 aufgenommen, 230000 mussten dauerhaft versorgt werden, die übrigen wurden in andere Länder geschickt. Die Zuwanderung blieb bis zuletzt konstant hoch: Allein in der Weihnachtswoche kamen rund 8100 Asylbewerber nach NRW.

Die schwere Aufgabe: Integration

Obwohl das Thema momentan viele Debatten beherrscht, war vom neuen NRW-Integrationsminister Rainer Schmeltzer (SPD), der seit Oktober im Amt ist, dazu bisher nicht viel zu hören. An mangelnden Aufgaben kann es nicht liegen: Die Agentur für Arbeit schätzt, dass 2016 Zehntausende Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt integriert werden müssen – ohne andere Jobsuchende zu benachteiligen. Mit rund 100 Millionen Euro will die neue Familienministerin Christina Kampmann zudem die Integrationsarbeit der Kitas in NRW erleichtern. „In Einzelfällen“ werde man sicher Kita-Gruppen vergrößern müssen,“ sagt Kampmann. An den Schulen gilt es 2016 rund 40 000 Flüchtlingskinder auf den Unterricht vorzubereiten.

Verkehr: Kein schneller Erfolg

In der NRW-Verkehrspolitik ist der Fortschritt auch 2016 eine Schnecke – für Minister Michael Groschek (SPD) geht es wohl vor allem um Schadensbegrenzung. Schnelle Besserung ist nicht in Sicht. „Die A1-Brücke Leverkusen wird auch 2016 nur bis 3,5 Tonnen freigegeben“, sagt ein Sprecher von Straßen-NRW. Der Neubau der Rheinbrücke beginne erst 2017. Immerhin: Im Fall der altersschwachen A40-Brücke bei Duisburg wird 2016 der Entwurf für einen Neubau vorgelegt.

Prestigeprojekt Soziales

„Kein Kind zurücklassen“ ist ein zentrales Versprechen der Ministerpräsidentin. Seit ihrem Regierungsantritt 2012 versucht sie, in 18 Modellgemeinden in NRW vorbeugende Sozialpolitik umzusetzen. Das Ziel: Kinder sozial auffangen, bevor sie abrutschen. Kraft will beweisen, dass das sogar Geld spart. Im ersten Halbjahr 2016 wird die Bertelsmann Stiftung einen Bericht vorlegen, ob der Ansatz funktioniert.

Schlechte Polizei-Nachrichten

Die Kriminalitätsstatistik und die Leistungsstärke der Polizei sind traditionell zentrale Themen im Landtagswahlkampf. Im kommenden Jahr wird NRW-Innenminister Ralf Jäger – zumindest bei den Einbruchszahlen – schlechte Nachrichten überbringen müssen: Mit seiner zentralen Lage und den vielen Großstädten ist das Land bevorzugtes Ziel der Kriminellen. Jäger hat bereits einen leitenden Mitarbeiter vorgeschickt, der eine Steigerung bei den Einbrüchen von 53 000 in 2014 auf rund 65 000 Fälle für 2015 pro-gnostizierte. Die offiziellen Zahlen muss der Minister im Frühjahr vorlegen. In Zeiten steigender Terrorgefahr wird 2016 auch die Ausrüstung der NRW-Polizei im Fokus stehen. Gewerkschaften und CDU klagen, die Polizisten fehlten schusssichere Westen und Helme.

Digitaler Wandel: ernst gemeint?

Anfang des Jahres war plötzlich alles 4.0: Regierungschefin Hannelore Kraft hat in den vergangen Monaten den digitalen Wandel zu ihrem Leitmotiv gemacht – wohl auch, um sich und dem Land ein moderneres Wirtschaftsprofil zu verleihen. Im kommenden Jahr wird Rot-Grün beweisen müssen, dass man es ernst meint, mit dem digitalen Wandel: Vor allem in ländlichen Regionen sehnt man sich nach schnellem Internet – um den Anschluss zu schaffen, sollen insgesamt eine halbe Milliarden Euro ausgegeben werden. Auch digitale Gründer gaben der Landesregierung zuletzt noch schlechte Noten – das müsse sich in diesem Jahr ändern, heißt es selbst im SPD-geführten Wirtschaftsministerium. Die neue „Digitalstrategie“, die Start-ups besser fördern will, werde Wirkung zeigen.

Energiewende trifft NRW

Das wirtschaftspolitische Großthema trifft das alte Energieland NRW mit besonderer Wucht: Kurz vor dem Jahreswechsel haben die Grünen und SPD-Bundesumweltministerin Barbara Hendricks die Energie-Debatte mit Forderungen nach einem klaren Braunkohle-Ausstiegs-Fahrplan neu belebt. Regierungschefin Kraft mauert bisher – auf Dauer wird sie bei der Kohle wohl mehr Kompromissbereitschaft zeigen müssen, auch um in der Bundes-SPD nicht isoliert zu werden. Mit den NRW-Grünen hat sich Kraft bereits auf eine Verkleinerung des Garzweiler-Tagebaus geeinigt. Im Frühjahr will rot-grüne Landesregierung über die konkrete räumliche Begrenzung entscheiden

Unvollendete Bildungsaufgabe

Die Integration der Flüchtlingskinder würde wohl schon ausreichen, um Sylvia Löhrmanns Ministerium auszulasten. Doch die grüne Schulministerin hat weitere unvollendete Großprojekte abzuarbeiten. Gerade bei der Inklusion steht sie unter Handlungsdruck: In einer aktuellen Onlineumfrage der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in NRW beklagen drei von vier Schulleitern, dass an ihrer Schule Sonderpädagogen fehlten, um das gemeinsame Lernen in der Praxis bewältigen zu können. Auch Löhrmanns Weigerung, den Unterrichtsausfall flächendeckend zu erheben, dürfte im Vorwahljahr verstärkt für politische Diskussionen sorgen.

NSU: Lokale Helfer in NRW?

Sie haben spät begonnen: Erst im August 2015 hörten Abgeordneten des NSU-Untersuchungsausschuss im Landtag die ersten Zeugen an. Ende 2016 wird der Ausschuss wohl den Großteil seiner Aufklärungsarbeit abgeschlossen haben. Inzwischen gehen viele davon aus, dass das Terrortrio des Nationalsozialistischen Untergrunds die Taten in Köln und Dortmund nicht ohne lokale Helfer verüben konnte. Ob das Gremium Beweise findet, wird 2016 zeigen. Immerhin: Die Sorge, dass die sensible Arbeit im Parteiengezänk untergehen könnte, hat sich bisher nicht bewahrheitet.

Die Schuldenuhr tickt

Es sind nur noch zwei Jahre – Ende 2018 soll dem NRW-Landtag nach den Plänen von Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) ein Haushalt ohne neue Schulden vorliegen. 2016 müsste der Minister deshalb verschärft daran arbeiten, die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben zu schließen. Es bleibt offen, ob das angesichts der Flüchtlingszahlen gelingen wird. Auch der nahende Wahlkampf steigert erfahrungsgemäß nicht gerade die Sparbereitschaft einer Regierung – Walter-Borjans plant für 2016 erst einmal 1,8 Milliarden Euro neue Schulden ein.

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