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Kontroverse Diskussion über Verbot

„Kopftuch sexualisiert das Kind“

düsseldorf

Es kam als Idee aus Wien, die atemberaubend schnell Karriere hier in NRW gemacht hat: Als der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz vor einer Woche ankündigte, ein Kopftuchverbot für Mädchen in Kitas und Grundschulen einzuführen, lobte NRW-Integrationsstaatssekretärin Serap Güler (CDU) das auf Twitter als einen guten Vorschlag. Daraus ist binnen einer Woche ein konkretes Vorhaben der Landesregierung geworden.

Hilmar Riemenschneider

Das Kopftuch für junge Mädchen steht im Fokus einer Debatte zwischen der NRW-Landesregierung und Schulverbänden. Letztere halten ein Verbot für überflüssig, da es an den Schulen kein großes Problem damit gebe. Foto: imago

Bis Ende 2019 solle ein Kopftuchverbot für Mädchen unter 14 beschlossen werden, kündigte Güler an. Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) bremste jedoch am Donnerstag, es werde keine Schnellschüsse geben.

Beide Politiker betonten, es gehe nicht um den Islam und nicht um religiöse Symbole, sondern einzig um das Wohl der Kinder. „Ein junges Mädchen muss nach islamischem Glauben bis zur Pubertät kein Kopftuch tragen. Es ihm dennoch aufzusetzen, sexualisiert das Kind“, sagte Güler in verschiedenen Interviews. Mit dem 14. Geburtstag gelten Kinder als religionsmündig, dürfen dann in Glaubensfragen für sich entscheiden. Güler betonte, jede junge Frau solle frei entscheiden können, ob sie ein Kopftuch tragen will. „Dann sollte diese freie Gesellschaft auch das akzeptieren und respektieren.“ Für Mädchen sei es schwer, ein Kopftuch wieder abzulegen, das falle bei einer Halskette mit einem Kreuz leichter.

Kein Massenphänomen

Stamp räumte in der seit vergangener Woche laufenden Debatte ein, es gehe nicht um ein Massenphänomen. Es sei aber ein „wachsender Trend“, dem die Landesregierung begegnen wolle, bevor er sich weiter verbreitet. Der Minister betonte, der Staat wolle den Eltern nicht in die religiöse Erziehung hineinreden, gleichwohl gehe es „um ein grundsätzliches Signal“.

Während Ministerpräsident Armin Laschet den Vorstoß unterstützte, reagierte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, sehr skeptisch. Verfassungsrechtlich sei ein Verbot problematisch. „Es löst auch nicht das Problem, das dahinter steht.“ Wichtiger sei es, Zugang zu den Eltern zu bekommen.

Kritik an Landesregierung

Als „populistisch und nicht durchdacht“ rügte der SPD-Integrationspolitiker Ibrahim Yetim das Vorpreschen der Landesregierung. Es müsse eine bewusste Entscheidung für ein Kopftuch geben. Doch bewegten sich Güler und Stamp „auf rechtlich dünnem Eis“, weil ein Verbot Privatsphäre und Religionsfreiheit berühre.

Druck auf kleine Mädchen sei nicht hinnehmbar, sagte die Grünen-Integrationsexpertin Berivan Aymaz. „Bevor wir aber eine Verbotsdebatte führen, sollte die Landesregierung jetzt erstmal Fakten liefern.“ Sie hakte mit einer Kleinen Anfrage nach, wie viele konkrete Fälle von Kindern mit Kopftuch der Landesregierung bekannt sind und wie sie sich an Schulen ausgewirkt haben.

Meinung

Riskante Debatte

Die Integrationspolitiker Güler und Stamp haben eine heikle Debatte angezettelt. Wie soll eine freie Gesellschaft damit umgehen, wenn kleine Mädchen mit Kopftuch in Kita oder Schule auftauchen? In diesem Alter können sie solche Entscheidungen für sich nicht frei treffen. Umso mehr muss man aber überlegen, welche Reaktion angemessen ist.

Ein Verbot wäre eine sehr harsche Reaktion, die jedes Gespräch mit den Eltern überflüssig macht. Dem Wohl der Kinder dient das nicht unbedingt. Ohnehin eröffnet die Landesregierung so eine Diskussion, in der es um weit mehr Fragen der religiösen Erziehung geht. Eine riskante Operation.

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