Merkel und Laschet versprechen Flut-Soforthilfe
Bad Münstereifel (dpa/lnw)
Tausende Menschen sitzen in den von Hochwasser gefluteten Orten noch mitten zwischen den Trümmern. Die Kanzlerin kommt, um sich ein Bild zu machen, zuzuhören - und zu helfen. Die Zahl der Opfer steigt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (beide CDU) haben unbürokratische Soforthilfe für die Hochwasserregionen zugesagt. Man werde «alles daran setzen, dass das Geld schnell zu den Menschen kommt», sagte Merkel am Dienstag bei einem Besuch in der stark vom Hochwasser beschädigten Stadt Bad Münstereifel. «Ich hoffe, dass das eine Sache von Tagen ist.»
Laschet betonte: «Die Formulare und die Anträge müssen ganz simpel sein, ganz einfach sein. Und sie sollen noch in dieser Woche fertig sein, damit recht bald das Auszahlen der ersten Gelder beginnen kann.» Er sei sehr dankbar, dass das Bundeskabinett an diesem Mittwoch eine erste Soforthilfe auf den Weg bringen werde. Das Landeskabinett werde diese Summe in seiner Sitzung am Tag darauf verdoppeln.
Merkel geht davon aus, dass die Wiedererrichtung der zerstörten Infrastruktur wie Straßen und Bahnstrecken sowie der Wiederaufbau der Stadt länger als ein paar Monate dauern werden. Es sei sehr klar, «dass wir hier einen sehr langen Atem brauchen werden».
Die Kanzlerin hatte sich zunächst vom Landrat des Kreises Euskirchen, Markus Ramers (SPD), und von Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian (CDU) über die Lage in Bad Münstereifel unterrichten lassen und mit Bürgern gesprochen. Die Menschen lebten zum Teil «in entsetzlichen Zuständen», sagte Merkel. «Das Einzige, was tröstet, das will ich ausdrücklich sagen, ist die Solidarität der Menschen.» Die Kanzlerin war am Wochenende zuvor bereits in Rheinland-Pfalz gewesen und hatte sich dort ein Bild von der Hochwasserlage gemacht.
Laschet sagte, der Kreis Euskirchen habe die meisten Todesopfer in NRW zu beklagen. «Das kann man nicht wieder gutmachen. Man kann auch kaum Worte finden für die Menschen, die das erlitten haben», sagte der Ministerpräsident. «Aber wir können alles tun, dass das, was an Sachschäden da ist, wiederhergestellt wird.»
Darüber hinaus müsse jetzt alles getan werden gegen den Klimawandel. Merkel und Laschet kündigten außerdem an, den Katastrophenschutz und alle Frühwarnsysteme auf den Prüfstand zu stellen, um künftig besser vorbereitet zu sein. «Vielleicht ist die gute alte Sirene nützlicher, als man gedacht hat», sagte Merkel.
Die Zahl der bislang entdeckten Todesfälle in NRW stieg um ein Opfer auf 48. Wie das Kölner Polizeipräsidium am Dienstag mitteilte, hat ein Leichenspürhund einen weiteren, noch nicht identifizierten Toten im Katastrophengebiet in Bad Münstereifel gefunden. Damit kletterte die Zahl der Todesopfer allein im Kreis Euskirchen auf 27.
Mehr als 850 als vermisst gemeldete Menschen hätten die Ermittler mittlerweile telefonisch erreicht. Aktuell suche die Polizei noch nach 14 Menschen aus dem Raum Bonn/Rhein-Sieg-Kreis und zwei aus dem Kreis Euskirchen.
In Erftstadt-Blessem ist die Situation weiter angespannt. Es gebe eine Sicherheitszone von 100 Metern rund um die Abbruchkante, hieß es vom Rhein-Erft-Kreis. Diese dürfe nicht betreten werden, vor allem an der Abbruchkante bestehe weiter «akute Lebensgefahr». Dennoch sollen viele Bewohner und Bewohnerinnen zumindest zeitweise in ihre Häuser zurückkehren dürfen, um ihr Hab und Gut zu sichern.
Die Zahl der gesuchten Menschen im Rhein-Erft-Kreis habe sich auf fünf reduziert, sagte Landrat Frank Rock am Dienstag. Viele Vermisstenfälle hätten durch die Personenauskunftsstelle schon aufgeklärt werden können.
Einsatzkräfte pumpten zudem ein Regenrückhaltebecken an der überspülten Bundesstraße 265 aus, in dem zunächst noch Autos und Lastwagen befürchtet wurden. Dort wurden nach Abschluss der Arbeiten nach Angaben des Kreises weder Fahrzeuge noch Menschen entdeckt. In Blessem hatte ein gewaltiger Erdrutsch durch das Hochwasser in der vergangenen Woche Straßen und Häuser mitgerissen.
NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) betonte, jetzt komme es darauf an, zerstörte Straßen und Schienenwege so schnell wie möglich wieder aufzubauen. «Am Geld wird es nicht mangeln», sagte er im «Morgenecho» von WDR 5. Die Arbeiten würden sich sicherlich noch über Wochen und Monate hinziehen.
Nach der Hochwasserkatastrophe sind in NRW derzeit noch die Autobahnen 1 und 61 von Sperrungen betroffen. Nach Angaben der Autobahn GmbH für das Rheinland ist die A 1 zwischen Köln-West und Dreieck Erfttal in Richtung Koblenz nicht befahrbar, ebenso in Richtung Dortmund zwischen Erfttal und Hürth, die A 61 ist in beide Fahrtrichtungen zwischen Kerpen und Meckenheim gesperrt.
Der Fernverkehr der Bahn läuft, mit Ausnahme weniger Abweichungen, weitgehend wieder ohne Einschränkungen. Nach Informationen der Bahn von Dienstag fahren die Züge zwischen Köln, Wuppertal und Hagen als auch im Ruhrgebiet wieder. Auch auf den Strecken Köln in Richtung Rhein-Main-Gebiet sowie zwischen Köln und Brüssel und in Richtung Amsterdam sind die Verbindungen wieder ohne Unterbrechung zu nutzen.
Pendler und Reisende im Nah- und Regionalverkehr müssen dagegen weiter mit Einschränkungen rechnen. In den Hochwasserregionen sind 7 Brücken und 24 Kilometer Schienen-Strecken laut Mitteilung nicht mehr oder nur noch zum Teil vorhanden. Betroffen sind sieben Regionalstrecken, die zum Teil neu gebaut oder umfassend saniert werden müssen. Insgesamt wurden 80 Bahnstationen durch das Unwetter beschädigt.
Insgesamt sind Gleise auf einer Länge von 600 Kilometern von den Unwetterfolgen betroffen. Die Bahn spricht von Reparatur- und Wiederaufbaumaßnahmen, die Wochen bis Monate dauern werden.
Mit Blick auf Funklöcher in den Unwettergebieten in NRW und Rheinland-Pfalz hat der Mobilfunkanbieter Vodafone vorgeschlagen, dass die Telekommunikationsbranche ihre Netze öffnet.
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