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Straftaten

Opferschutzbeauftragte: «Opfer sind nicht nur Beweismittel»

Düsseldorf (dpa/lnw)

Nordrhein-Westfalens erste Opferschutzbeauftragte hat der Justiz Defizite im Umgang mit Kriminalitätsopfern attestiert. «Opfer sind nicht nur Beweismittel», sagte Elisabeth Auchter-Mainz, die ihr Amt zum Monatswechsel an die frühere niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza abgibt. «Betroffene werden zu wenig als Menschen wahrgenommen. Das haben wir immer wieder zu hören bekommen.»

Von dpa

Elisabeth Auchter-Mainz, scheidende Opferschutz-Beauftragte, spricht in der Staatskanzlei. Foto: Oliver Berg/dpa

So habe in einem Fall ein Opfer davon berichtet, wie schlecht es ihm seit der Tat gehe. Vom Staatsanwalt habe es aber nur zu hören bekommen: «Wir sind hier keine Therapiestunde». «Das geht nicht», sagte Auchter-Mainz am Montag in der Staatskanzlei in Düsseldorf.

Auf der anderen Seite habe es einem Opfer, das durch eine Straftat zum Pflegefall wurde, sehr viel bedeutet, dass der Richter dies in einem Satz in der Urteilsbegründung erwähnt habe. «Opfer wollen gesehen werden», sagte Auchter-Mainz. Deshalb schule man junge Richter und Staatsanwälte, um ihnen dies klarzumachen.

«Wir haben Pionierarbeit geleistet», sagte Auchter-Mainz, die als ehemalige Generalstaatsanwältin die neu geschaffene Stelle 2017 angetreten hatte. «Nach nur zehn Minuten im neuen Büro klingelte zum ersten Mal das Telefon.» Anfangs hätten sich sehr viele Männer gemeldet. Nach der Corona-Pandemie wandten sich viele Opfer häuslicher Gewalt an ihr Büro.

Einen Gesetzentwurf aus dem Bundesjustizministerium, wonach Gerichtsverhandlungen künftig per Videoaufzeichnung dokumentiert werden sollen, lehnt Auchter-Mainz ab. «Dadurch wird die Hürde für die Opfer etwa sexueller Gewalt, überhaupt auszusagen, noch höher», sagte sie. Die künftige Opferschutzbeauftragte Barbara Havliza sieht das ähnlich: «Unter Opferschutzgesichtspunkten ist das nicht förderlich.» Havliza tritt das Amt zum 1. März für fünf Jahre an. Die 64-Jährige ist ehemalige Richterin im Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf.

Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) würdigte das Engagement von Auchter-Mainz: «Sie hat Opfern eine Stimme gegeben» und habe über 3000 Anfragen beantwortet. «Kriminalitätsopfer befinden sich in einer Ausnahmesituation. Häufig haben sie nicht nur körperliche und materielle, sondern auch seelische Schäden erlitten», hob er hervor.

In der gesamten Juristenausbildung bis zum Richteramt werde nicht gelehrt, die Perspektive auf das Opfer zu wechseln, sagte NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne). Dies müsse selbstverständlich werden.

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