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Verkehr

Polizei will Druck auf illegale Raserszene hoch halten

Dortmund/Köln (dpa/lnw)

Aufgemotzte Autos, aggressives Fahren, illegale Rennen: Mit mehr Kontrollen versucht die Polizei an Hotspots der Raserszene gegen Verstöße vorzugehen. Die Behörden in Dortmund versuchen es auch mit dem eindringlichen Appell einer Mutter, deren Kind ein Raser tötete.

Von Florentine Dame, dpa

Claudia Wagner zeigt ein Foto ihrer Tochter, die von einem Raser überfahren wurde und gestorben war. Foto: Bernd Thissen/dpa

Marie wäre vor wenigen Wochen 26 Jahre alt geworden. Doch heute kann nur ihre Mutter Claudia Wagner davon erzählen, wie voller Lebensfreude und Pläne die frischgebackene Abiturientin steckte, als sie am 11. Juni 2014 von einem Auto erfasst wurde. Ein 27-jähriger Autofahrer hatte die junge Frau aus Nürnberg bei einem Inline-Skating-Ausflug mit mindestens 150 Stundenkilometern umgefahren. Er stand unter Drogen- und Alkoholeinfluss. «Die Menschen sollen erfahren, wie es sich für eine Mutter anfühlt, wenn ein Kind durch einen Raser getötet wird», sagt sie am Dienstag vor Medienvertretern, während nebenan der dichte Stadtverkehr des Ruhrgebiets vorbeischiebt.

«Ich muss jeden Tag einen Kampf kämpfen», sagt Wagner, immer wieder stockt ihre Stimme, «einen Kampf gegen den Schmerz des Vermissens.» Wie die Mutter hofft auch die Polizei Dortmund, mit dem emotionalen Vortrag jene zu erreichen, denen sie seit mehreren Jahren schon den Kampf angesagt hat: Teilnehmer illegaler Straßenrennen, notorische Raser in PS-starken Protzkarren aus dem gesamten Umland, die Dortmund zu einem beliebten Treffpunkt der Raser- und Tuningszene gemacht haben.

Wagner ist daher zu Gast, als Stadt und Polizei eine neue Plakatkampagne vorstellen, die rücksichtlose Autofahrer ermahnen soll, dass ihr Verhalten Leben kosten und sie selbst ins Gefängnis bringen kann. Die Plakat-Motive: ein völlig zerstörtes Autos, ein Friedhof und eine Gefängniszelle.

Dortmund ist neben anderen größeren Städten an Rhein und Ruhr für die Poser-, Tuner-, und Raserszene, die PS-starke und nicht selten ordnungswidrig manipulierte Autos zur Schau stellen will, ein beliebtes Ziel. Vor allem entlang des Walls, einer innerstädtischen mehrspurigen Ringstraße, liefern sich die Fahrer immer wieder Rennen. 2021 wurden 120 sogenannte verbotene Kraftfahrzeugrennen registriert (Vorjahr 100). Acht Menschen wurden in Folge von Unfällen bei solchen Delikten schwer verletzt. Das Ordnungsamt stellte 2021 bei Schwerpunktkontrollen in der Innenstadt an 13 Wochenenden 3672 Tempoverstöße fest.

«Verkehrsunfälle durch Raser passieren nicht einfach so. Diese Raser sind Straftäter», sagt der stellvertretende Polizeipräsident und Leiter der Verkehrsdirektion, Ralf Ziegler. Seit 2017 ist rücksichtsloses und grob verkehrswidriges Verhalten durch Rennen oder stark überhöhte Geschwindigkeit ein Straftatbestand. Aus Sicht der Polizei ein wirksames Mittel, schließlich drohen lange Haftstrafen, sollten Unbeteiligte sterben, wie Ziegler erläutert.

NRW-weit zeigte die Polizei laut Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste 2020 1500 solcher Raser-Delikte an, doppelt so viele wie im Vorjahr. In mehr als 250 Fällen kam es dabei zu Unfällen. Landesweite Zahlen aus dem vergangenen Jahr sollen erst demnächst veröffentlicht werden.

In NRW verfolge man zur Verhinderung verbotener Kraftfahrzeugrennen eine Null-Toleranz-Strategie, was zu einer Erhöhung der Fallzahlen führe, heißt es aus dem Landesamt. Auch seien die Beamten inzwischen für die Erkennung des Deliktes sensibilisiert, ebenso wie die Bevölkerung, die immer wieder auch Hinweise auf Verdachtsfälle gebe.

Gute Erfahrung mit hohem Kontrolldruck macht beispielsweise Köln: Seit 2019 kümmert sich dort mit dem «Einsatztrupp Verkehr» eine eigene Dienststelle um das Problem. Rund 200 solcher Rennen oder Alleinrennen, bei denen die Fahrer ganz ohne Gegner rücksichtslos und viel zu schnell unterwegs sind, wurden 2021 angezeigt, berichtet Dienststellenleiter Jürgen Berg.

Ein weiterer Hebel: «Um Zugriff auf die Szene zu bekommen, kontrollieren wir auch getunte Autos und stellen sie bei Verstößen mit Gefahren für die Verkehrssicherheit sicher.» Das eigene Auto etwa durch Sportfahrwerke oder manipulierte Auspuffe unüberseh- und hörbar zu machen, ist zwar keine Straftat, kann aber eine empfindlich teure Ordnungswidrigkeit sein. Durch Abschleppgebühren und Gutachterkosten könnten da schon mal schnell über 500 Euro zusammenkommen, erklärt Berg. Allein 400 solcher Fälle hat seine Dienststelle im vergangenen Jahr bearbeitet.

Trotz steigender registrierter Deliktzahlen ist er überzeugt, dass die Kontrollen Wirkung zeigen. «Die Leute wissen, wenn sie sich hier in Köln mit ihren Rennautos daneben benehmen, kriegen wir sie früher oder später.» An Verdrängungseffekte ins Umland glaubt er weniger: «Wenn ich schon so ein "Prunkstück" habe, dann will ich auch gesehen werden. Da nutzt es mir wenig, in meiner Kleinstadt die Hauptstraße auf und ab zu fahren», sagt Berg.

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