Nach SPD und FDP haben nun auch die Grünen dem Koalitionsvertrag für eine gemeinsame Bundesregierung zugestimmt.
Mit rund 86 Prozent der 71.150 gültigen Stimmen sprachen sich die Grünen-Mitglieder für das gemeinsame Regierungsprogramm und die vom Parteivorstand beschlossene Besetzung der Grünen-Kabinettsposten aus, wie die Parteiführung in Berlin mitteilte.
Baerbock spricht von «starkem Rückenwind» Die designierte Außenministerin Annalena Baerbock sprach von einem «starken Rückenwind». An der Urabstimmung hatten sich laut dem Politischen Bundesgeschäftsführer Michael Kellner 57 Prozent der Parteimitglieder beteiligt.
Mit Ja stimmten demnach 61.174 Grüne, mit Nein 8275 Parteimitglieder, 1701 weitere enthielten sich. Es wurden 64 ungültige Stimmen abgegeben. Nötig war eine einfache Mehrheit. Es beteiligten sich laut Kellner 71.214 Parteimitglieder, ein Quorum gab es nicht.
Erstmals seit 2005 wieder an der Macht Damit sind die Grünen künftig erstmals seit 2005 wieder an einer Bundesregierung beteiligt. Am Wochenende hatten bereits Parteitage von SPD und FDP dem Koalitionsvertrag zugestimmt.
Die Partei schrieb insgesamt 125.126 Grünen-Mitglieder für die Urabstimmung an. Die Frage, über die sie zu entscheiden hatten, lautete: «Stimmst Du dem von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit der SPD und der FDP in 2021 verhandelten Koalitionsvertrag und dem von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN benannten Personaltableau für die Bildung einer gemeinsamen Bundesregierung zu?»
Die Ministerinnen und Minister der Ampel-Koalition
Das neue Bundeskabinett soll am Mittwoch vereidigt werden. Was die neuen Ministerinnen und Minster anders machen werden – eine Einordnung:
Foto: Michael Kappeler/dpa
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD): Die „Taz“ titelte „Neue Merkel-Variante setzt sich durch“ – mit einem Bild von Olaf Scholz. Ruhiges und uneitles Regieren ist auch von Olaf Scholz zu erwarten. Der Mann ist so nüchtern und so wenig charismatisch, dass er als „Scholzomat“ verspottet wurde. Aber Automaten arbeiten und liefern – auch Scholz in seinen bisherigen Ämtern: Als Arbeitsminister setzte er Branchenmindestlöhne durch; als Finanzminister schnürte der Anhänger der „Schwarzen Null“ mit an den Corona-Hilfspaketen in Milliardenhöhe. Andererseits belasten ihn die Skandale um Cum-Ex und Wirecard. Als Kanzler wird er den Spagat hinbekommen müssen, sich gegen die charismatischeren „Vizes“ Christian Lindner und Robert Habeck zu behaupten und zugleich drei Parteien zusammenzuhalten, die politisch weit auseinander laufen. Ärger ist programmiert – auch mit den Linken in der SPD. (mel)
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Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD): Für kein Kabinettsmitglied ist die Fallhöhe so groß wie für Karl Lauterbach. In der Pandemie hat es gefühlt keinen Tag gegeben, an dem der SPD-Mann nicht öffentlich erklärt hat, was zu tun sei – obwohl er das Amt des gesundheitspolitischen Sprechers längst abgegeben hat. Als Minister muss Lauterbach nun beweisen, dass er es tatsächlich besser kann. Immerhin: Im Gegensatz zum Bankkaufmann Jens Spahn ist Lauterbach Mediziner. Seinen Harvard-Abschluss hat er allerdings als Gesundheitsökonom erworben, noch kurz vor Corona wollte Lauterbach „mindestens jede dritte, eigentlich jede zweite, Klinik schließen“. (af)
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Minister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil (SPD): Das Arbeits- und Sozialministerium ist das einzige, das keinen neuen Chef bekommt. Hubertus Heil (SPD) bleibt dort im Sattel. Auch wenn es in der Öffentlichkeit nicht immer gleich so ankam. Der 49-Jährige ist eher ein stiller Kämpfer, der aber schon in der vergangenen Legislaturperiode als durchsetzungsstark und vor allem bienenfleißig galt - und zwar bei Themen wie Rente, Arbeitsmarkt und Hartz IV; Felder, die für seine SPD besonders wichtig sind. Heil hatte im September das Direktmandat in seinem Wahlkreis Gifhorn/Peine gewonnen – immerhin zum siebten Mal seit seinem Einzug in den Bundestag 1998. (er)
Foto: Annette Riedl/dpa
Bauministerin Klara Geywitz (SPD): Dass die neuen Regierungsparteien großen Handlungsbedarf beim Thema Bauen sehen, ist offensichtlich. Sonst hätten sie wohl kaum ein neues Bauministerium geschaffen, das von Klara Geywitz, einer der stellvertretenden Vorsitzenden der SPD, geleitet wird. Bundesweit bekannt wurde Geywitz, als sie 2019 gemeinsam mit Olaf Scholz für den SPD-Vorsitz kandidierte. Die Potsdamerin hat auch gleich angekündigt, wo sie ihre Schwerpunkte setzen will: beim Bau neuer Wohnungen und beim Schutz der Mieter. Mit Blick auf die aktuelle Lage am Wohnungsmarkt wichtige Ziele, die sich die neue Ministerin gesteckt hat. (jkol)
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Innenministerin Nancy Faeser (SPD): Horst Seehofer erntete im März 2018 Spott im Internet, als er ein Bild seiner Führungsriege präsentierte: nur Männer. Künftig soll Nancy Faeser das Innenministerium leiten – als erste Frau überhaupt. Sie dürfte den „Wind“ im Ministerium deutlich verändern. Die 51-jährige Juristin ist seit 2019 Fraktions- und Landesvorsitzende der hessischen SPD, gilt als ausgewiesene Innenexpertin. Die Menschen in Deutschland hätten zu Recht den Anspruch, dass die Regierung für ihre Sicherheit sorge, sagte sie am Montag mit Blick auf ihr Amt. Zugleich nennt sie den Kampf gegen den Rechtsextremismus ihr „besonderes Anliegen“. (mel)
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Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD): Als Justiz- und Familienministerin verfügt Christine Lambrecht zwar über Regierungserfahrung. Berührungspunkte mit der Verteidigungspolitik oder der Bundeswehr hat die 56 Jahre alte Sozialdemokratin bisher aber nicht. Kein Wunder also, dass ihre ersten Aussagen hierzu phrasengleich sind. Dass sie Auslandsmissionen überprüfen will, Einsätze eine Exit-Strategie haben müssen – geschenkt. Verteidigungsminister können im Amt keine Meriten verdienen. Annegret Kramp-Karrenbauer kann davon ein Lied singen, Ursula von der Leyen auch. Lambrecht ist die dritte Frau an der Ressortspitze. Das ist ein gutes Zeichen. (er)
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Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Svenja Schulze (SPD): Svenja Schulze galt schon vor der Bundestagswahl für den Fall eines SPD-Wahlsieges als gesetzt für das Kabinett. Dass die bisherige Umweltministerin der „Groko“ jetzt das als weniger gewichtig empfundene Ministerium für Entwicklung übernimmt, mag auf den ersten Blick für die 53-jährige Münsteranerin, die zuvor als Landtagsabgeordnete, Wissenschaftsministerin und SPD-Generalsekretärin in der NRW-Landespolitik Karriere gemacht hatte, enttäuschend sein. Wer Schulze kennt, weiß, dass sie das Amt mit seinen globalen Herausforderungen in Sachen Klima, Gesundheit und Migration mit Leidenschaft ausfüllen wird. (kv)
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Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne): Sie ist noch nicht im Amt, da gibt es schon Differenzen mit Olaf Scholz um die China-Politik. Wo es um Menschenrechte geht, könnte Annalena Baerbock deutlich klarere Kante zeigen als ihre Vorgänger. Das ist sie der grünen Tradition schuldig. Auch in Moskau erwartet man einen härteren Kurs von der neuen Außenministerin. „Kann die das?“, fragen einige Beobachter. Zur Erinnerung: FDP-Chef Guido Westerwelle und auch Baerbocks direkter Vorgänger Heiko Maas hatten kaum außenpolitische Erfahrung, als sie das Außenamt übernahmen. Und: Die Linie der Außenpolitik bestimmt ohnehin zunehmend das Kanzleramt. (mel)
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Minister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck (Grüne): Lange Zeit galt den Grünen die Wirtschaft als Erbfeind, nun ist es an Vizekanzler Robert Habeck zu vereinen, was für die Partei als unvereinbar galt. Das Wirtschaftsministerium hat seit dem ersten Amtsinhaber Ludwig Erhardt große Tradition – bis hin zu Legendenstatus. Tatsächlich bekommt Minister Habeck mit dem Zuschnitt „Wirtschaft und Klima“ ein Superministerium anvertraut, das es so noch nie gab und das der kreative Kopf erst einmal mit Leben wird füllen müssen. Das wird gelingen, da er selbst längst verinnerlicht hat, dass die Wirtschaft eben jener Hebel ist, den es braucht, um den Klimaumbau hin zu einer CO2-neutralen Gesellschaft zu bewerkstelligen. Er wird Wachstum und Klimaschutz zusammendenken müssen und neben Wohlstand und sozialer Gerechtigkeit auch den Erhalt des Industriestandorts Deutschland fest im Blick haben. Eine spannende Aufgabe. (scha)
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Familienministerin Anne Spiegel (Grüne): Liest man Porträts über die grüne Powerfrau Anne Spiegel, dann klingen diese sympathisch. Der SWR schrieb: „Spiegel kann in ihren Reden die Parteibasis begeistern und wirkt in Gesprächen dennoch meist wie die nette Nachbarin von nebenan und völlig unprätentiös.“ In Rheinland-Pfalz war die vierfache Mutter, deren schottischer Ehemann sich um Haushalt und Kinder kümmert, Familienministerin. Dazu kamen noch die Ressorts Verbraucherschutz und Integration, zeitweise führte sie auch das Umwelt- und Energieministerium. Die Politologin hat früher die Welt bereist und brennt, so heißt es, für ihre Themen. dn
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Ministerin für Umwelt- und Verbraucherschutz Steffi Lemke (Grüne): Es gab keinen Zweifel daran, dass im Falle der Ampel-Koalition das Umweltressort an die Grünen geht. Dass Steffi Lemke aus Sachsen-Anhalt sich gegen andere Parteigrößen durchsetzte und nun das Amt übernimmt, ist für viele dennoch eine Überraschung. Die 53-jährige Diplomagraringenieurin tritt ein schweres Erbe an. Ihre Vorgängerin Svenja Schulze (SPD) galt als die erfolgreichste Ministerin im Kabinett Merkel IV. Lemke wird nun die durch das Klimaschutzgesetz vorgegebene Marschroute hin zum 1,5-Grad-Ziel fortsetzen müssen. Sie selbst wirbt zudem für neue Ansätze der Umweltpolitik und resiliente Ökosysteme. (scha)
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Agrarminister Cem Özdemir (Grüne): Dass das Gros der deutschen Landwirte an einem grünen Agrarminister arg zu knabbern haben wird, liegt nah. Gleichwohl: Sie werden die Rochade von Anton Hofreiter hin zu Cem Özdemir begrüßen. Der 55 Jahre alte Schwabe ist Realpolitiker; seine ersten Aussagen zum Thema Pflanzenschutzmittel, Tierschutz und Ökolandbau zeugen davon. Natürlich werden die Bauern auch mit ihm ihre Sträußchen auszufechten haben. Denn der Ex-Grünen-Chef ist ein politisches Schwergewicht, sturmerprobt und scheut keinen Konflikt – siehe seine verbalen Auseinandersetzungen mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan. (er)
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Finanzminister Christian Lindner (FDP): Im Grunde ist es für FDP-Chef Christian Lindner bereits ein Sieg, dass er das Finanzressort überhaupt erst wird übernehmen dürfen. Auch die Grünen hatten Anspruch auf dieses mächtige Ministeramt erhoben. Der 42-Jährige übernimmt von seinem Vorgänger Olaf Scholz nicht nur seinen Traumjob, sondern coronabedingt die höchste Neuverschuldung, die es in Deutschland je gab. Klimaschutz, Wohnungsbau, Verkehrswende, Digitalisierung – um die milliardenschweren Ausgabenwünsche der Ampel zu moderieren, wird Finanzexperte Lindner die Stabilitätslinie der FDP verlassen und neue Schulden machen müssen. (scha)
Foto: Michael Kappeler/dpa
Verkehrsminister Volker Wissing (FDP): Verkehrsminister Volker Wissing ist der FDP-Überraschungskandidat im Kabinett. Für viele galt als ausgemacht, dass die Grünen das Ressort für sich beanspruchen würden. Wissing hätte sich damit kaum bessere Startvoraussetzungen wünschen können. Gerade Berufspendlern lief es beim Gedanken an einen grünen Verkehrsminister eiskalt den Rücken runter. Auch sein Amtsvorgänger macht Wissing den Einstieg leicht. Dass Andreas Scheuer das Ende seiner Amtszeit erlebt hat, grenzt an ein Wunder. Das Maut-Debakel überstrahlt dabei die Fehl-Planung für die Bahn und den Stolper-Start der Autobahn GmbH. (af)
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Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt (SPD): Der ehemalige Staatssekretär im Finanzministerium ist ein enger Berater von Olaf Scholz.
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Justizminister Marco Buschmann (FDP): Verkehrsminister Volker Wissing ist der FDP-Überraschungskandidat im Kabinett. Für viele galt als ausgemacht, dass die Grünen das Ressort für sich beanspruchen würden. Wissing hätte sich damit kaum bessere Startvoraussetzungen wünschen können. Gerade Berufspendlern lief es beim Gedanken an einen grünen Verkehrsminister eiskalt den Rücken runter. Auch sein Amtsvorgänger macht Wissing den Einstieg leicht. Dass Andreas Scheuer das Ende seiner Amtszeit erlebt hat, grenzt an ein Wunder. Das Maut-Debakel überstrahlt dabei die Fehl-Planung für die Bahn und den Stolper-Start der Autobahn GmbH. (af)
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Ministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger (FDP): Als FDP-Parteifunktionärin hat Bettina Stark-Watzinger Organisationserfahrung bekommen, als Mutter zweier Töchter kennt sie die Nöte der jüngeren Generation, als ehemalige Ursulinen-Schülerin ist ihr eine stringente Ausbildung nicht fremd, ihr Studium hat sie zum Teil in England verbracht, danach hat sie unter anderem an einer Hochschule gearbeitet – alles Aspekte, die einer Bildungsministerin helfen können, die breite Palette der Anforderungen des Ressorts einschätzen zu können. Dennoch dürfte ihre Handschrift nur schwer durchzusetzen sein – denn Bildung ist in Deutschland weiterhin Ländersache. (dn)
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Das ist das Personal Das Personaltableau umfasst den designierten Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck, der auch Vizekanzler werden soll. Baerbock ist als Außenministerin vorgesehen, Anne Spiegel als Familienministerin und Steffi Lemke als Umweltministerin. Landwirtschaftsminister soll Cem Özdemir werden, Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth.
Die Urabstimmung begann am 26. November und endete am Montag um 13 Uhr. Die Mitglieder stimmten online ab, konnten sich aber ersatzweise auch per Brief beteiligen - diese Möglichkeit nutzten 407 Grüne.
Schon an diesem Dienstag soll der Koalitionsvertrag unterschrieben werden. Am Mittwoch soll Olaf Scholz (SPD) vom Bundestag zum neuen Kanzler gewählt und das neue Kabinett ernannt und vereidigt werden.
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