1. www.wn.de
  2. >
  3. Specials
  4. >
  5. Coronavirus
  6. >
  7. Corona: Ein Rückblick auf drei Jahre Pandemie

  8. >

Erfolge und Fehler in der Pandemie

Ein Rückblick auf drei Jahre Corona

Münsterland

2020 war ein Zäsur in der Menschheitsgeschichte. Die Corona-Pandemie stellte das gesamte öffentliche Leben auf den Kopf. Wir blicken auf drei Jahre zurück, in denen es neben negativen auch positive Entwicklungen gab.

  • Drei Jahre Corona-Pandemie sind vorüber – Zeit für einen Rückblick.
  • Aktuelle Corona-Zahlen finden Sie weiterhin beim nordrhein-westfälischen Landeszentrum für Gesundheit (LZG).
  • Laut einer WHO-Statistik starben in Deutschland während der Pandemie 122.000 Menschen mehr, als zu erwarten gewesen wäre.

Nach dem Wegfall der Maskenpflicht im Nah- und Fernverkehr sowie dem Ende der Isolationspflicht gibt es kaum noch Corona-Regeln. Angesichts ­dieser Zäsur stellen wir auch unseren Corona-Ticker ein und blicken zurück: Was war in mittlerweile drei Jahren Corona von Erfolg gekrönt – und was entpuppte sich als fataler Fehler? Ein klares Plus war die schnelle Verfügbarkeit wirksamer Impfstoffe. Negativ ins Gewicht fiel die monatelange Schließung von Schulen und Kitas. Und oft gibt es Grautöne – wie bei den Testzentren: Die kostenlosen Bürgertests ­waren wichtig, der Betrug einiger Teststellen-Betreiber war ein Skandal.

Das lief gut

Impfstoffe: Nicht einmal ein Jahr dauerte es, bis hochwirksame Impfstoffe entwickelt waren – Forschung in Rekordzeit. Möglich war das durch das Vorwissen über Coronaviren und das mRNA-Verfahren, hohe Investitionen und parallel laufende Prüfphasen. Zügig reagierte die Politik auf unerwartete Risiken einzelner Impfstoffe (Sinusvenen-Thrombosen), passte die Impfempfehlungen an. Und: Die Vakzine schützen recht sicher vor schweren Verläufen. Allerdings verlief die Impfstoff­beschaffung zuerst schleppend. Skeptiker verbreiteten Horror­meldungen über Impfschäden. Tatsächlich hielten die sich in Grenzen: Gut 6000 Anträge auf Entschädigung wegen schwerer unerwünschter Nebenwirkungen gingen bislang ein, bei 192 Millionen Impfungen. 6000 zu 192.000.000. 

Bürgertests: Plötzlich gab es kostenlose Bürgertests an allen Ecken. In jedem Dorf standen „weiße Männchen“ in Schutzanzügen unter Pavillons mit Teststäbchen bereit. Einmal per Smartphone einchecken, Termin vereinbaren, die blanke Nase präsentieren – und das Ergebnis kommt gleich aufs Handy, kann von dort in die Corona-Warn-App hochgeladen werden. Wer hätte vor der Pandemie gedacht, dass in der digitalen Wüste Deutschland solche unkomplizierten Lösungen möglich sind?

Die Testbereitschaft war hoch, auch weil zeitweise erst der ­negative Test die Türen öffnete zu Restaurants oder zum Kino­besuch. Vor allem aber: Wer sich regelmäßig testen ließ, wusste, ob er für andere eine Ansteckungsgefahr darstellte und konnte sich verantwortlich verhalten. Natürlich: Es gab auch Missbrauch mit den Testangeboten – aber das ist eine andere Geschichte.

Homeoffice: Die Corona-Pandemie hat das Arbeiten im Homeoffice in Deutschland zum Erfolgsmodell gemacht. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln bezifferte den Anteil derjenigen abhängig Beschäftigten, die zumindest zeitweise im ­Homeoffice arbeiteten, vor Ausbruch der Pandemie auf rund zehn Prozent. Im Februar 2021 kletterte diese Quote dann auf einen Höchstwert von 49 Prozent. Das Modell war letztlich trotz zunächst großer Skepsis aufseiten der Arbeitgeber ein voller Erfolg. Dieser zeigt sich auch daran, dass nach Ende der Pandemie laut IW immer noch jeder Vierte seinen Job von zu Hause aus erledigt.

Wirtschaftshilfen: Mit Ausbruch der Corona-Pandemie im Frühjahr des Jahres 2020 benötigten Unternehmen in zahlreichen Branchen schnell staatliche Hilfen, um die vorübergehenden Lockdowns oder auch massive Umsatzeinbrüche durch Nachfrageausfälle aufzufangen. Das gelang recht gut: Bereits im März 2020 wurden die Corona-Soforthilfen zur Beantragung freigegeben. Ziel war die schnelle Sicherung der Liquidität in den Unternehmen.

Anfang Juni 2020 versprach dann der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) einen „Wumms“ an Staatshilfen im Gesamtumfang von rund 1,3 Billionen Euro. Trotz zunächst einiger bürokratischer Hemmnisse gelang dadurch letztlich die Rettung der meisten Unternehmen. Weil parallel dazu auch noch das Insolvenzrecht vorübergehend gelockert wurde, konnte außerdem eine Pleitewelle in der deutschen Wirtschaft vermieden werden.

Überraschende Solidarität: Ja, es gab geheime Corona-Partys. Einige militante Maskenverweigerer wurden gewalttätig. Aber alles das war so selten, dass es zur Zeitungsmeldung reichte. „Es ist ernst, nehmen Sie es ernst“, hatte Kanzlerin Merkel gesagt. Und die überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland nahm Corona ernst. Junge Leute verzichteten monatelang auf das Feiern, Treffen und Klönen, um das Virus nicht ins Haus und damit womöglich zu Opa und Oma zu tragen. Großeltern sahen ihre Enkel durch die Glasscheibe oder per Internet statt beim Kaffeeklatsch. Sogar in der Stillen Nacht gingen viele auf Abstand oder ins Freie. Tests vor und nach jedem Treffen waren zeitweilig üblich. Ohne großes Murren verzichteten viele auf viele kleine Freuden – zur Sicherheit der „vulnerablen Gruppen“. Die meisten Menschen zeigten geradezu selbstverständlich Solidarität – großartig!

Das lief nicht so gut

Schulen und Kitas: In diesem Punkt sind sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und sein Vorgänger Jens Spahn einig: Die monatelange Schließung von Schulen und Kitas war einer der größten Fehler der Corona-Politik. Die Annahme, dass es dort zu besonders vielen Infektionen komme, erwies sich als falsch. Mit fatalen Folgen: 65 Prozent der Kinder hätten erhebliche Lernrückstände, heißt es vom Bundesbildungsministerium. Studien belegen negative Folgen für die psychische Gesundheit der Kinder und Jugendlichen. Die Politiker ignorierten damals die Warnungen vieler Kinderärzte und anderer Experten. Laut Ifo-Institut waren die deutschen Schulen an 183 Tagen vollständig oder teilweise geschlossen. Andere Länder handelten da mit Blick auf die Schüler umsichtiger: In Schweden waren die Schulen „nur“ 31 Tage dicht, in Spanien 45 Tage und in Frankreich 56 Tage.

Flickenteppich: Natürlich gab es viele Beispiele dafür, wie Bund und Länder an einem Strang zogen und bei der Ministerpräsidentenkonferenz einheitliche Regeln verkündeten. Und es war in Einzelfällen sinnvoll, in Regionen schärfere Regeln zu verhängen, wenn dort die Corona-Zahlen höher waren. Doch viele Alleingänge der Länder mündeten in unnötige Flickenteppiche – und in ein Chaos. So gab es 2022 ein Wirrwarr um unterschiedliche 2G- und 3G-Regeln für Geimpfte, Genesene und Getestete vor allem im Gastronomie- und Kulturbereich. Selbst in den vergangenen Monaten noch konnten nur Experten erklären, welche Regeln für die Isolationspflicht in den einzelnen Ländern galten. Noch bis zu dieser Woche galten je nach Bundesland andere Maskenpflichten im ÖPNV. Und bei den Regeln in Arztpraxen gibt es schon wieder neue Alleingänge. Ein Flickenteppich folgt dem nächsten.

2G oder 3G – die regionalen Corona-Regeln variierten von Bundesland zu Bundesland und teilweise von Stadt zu Stadt. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Datenlange: Es ist erst etwas mehr als ein Jahr her, dass Deutschland in einer etwas kritischeren Phase der Corona-Pandemie im Blindflug unterwegs war: Ein Meldechaos rund um die Feiertage hatte dazu geführt, dass es wochenlang keine aussagekräftige Daten zur Corona-Situation gab. Das war leider kein Einzelfall. Die Datenprobleme zogen sich wie ein roter Faden durch die Pandemie. Schon die Anfangszeit legte schonungslos die Schwächen der digitalen Infrastruktur in der Verwaltung offen.

Die oft zitierten Faxgeräte in den Gesundheitsämtern sind nur ein Beispiel. Ein Echtzeitbild über verfügbare Krankenhausbetten und verfügbare Pflegekräfte sowie die Hospitalisierung war lange nicht möglich. Fatal, weil manchmal die Grundlage für politische Entscheidungen fehlte. Der Sachverständigenrat zur Beurteilung der Corona-Maßnahmen erkannte im Sommer 2022 zu Recht in der mangelhaften Datenlage eines der Kardinalprobleme.

Kriminelle Geschäfte: Lasche Kontrolle lockt Kriminelle: Schnelligkeit beim Testen ging zunächst vor. Die Hürden, ein Testzentrum zu errichten, waren niedrig, die Kontrolle lasch. Kritiker sprachen von „Einladung zum Betrug“. Unter den Teststellen-Betreibern waren schwarze Schafe, die diese „Einladung“ annahmen: Es wurden Tests abgerechnet, für die nie jemand seine Nase hingehalten hatte. Ein lukratives Geschäft, ein Milliardenschaden.

Und dann die „Maskendeals“: Politiker vermittelten beim Verkauf der knappen Schutzmasken an den Staat und kassierten Provisionen. Das ist anrüchig, aber nicht strafbar, wie der Bundesgerichtshof befand. Da müssen Gesetze nachgeschärft werden.

Völlig überdrehte Debatte: Als vor US-Kliniken Kühl-Lkw für die vielen Leichen parkten, verharmlosten einige das Virus noch als „Grippe“. Nicht selten waren es dieselben, die Impfstoffe als „Gen-Experiment“ verteufelten oder Verdachtsfälle, die erst auf einen eventuellen Zusammenhang mit der Impfung untersucht werden sollten, in „Tausende Todesfälle durch die Impfung“ umdichteten. Unter „Querdenkern“ kursierten Verschwörungstheorien: „Corona-Diktatur“, „Chips im Impfstoff“ oder „Reduktion der Weltbevölkerung“. Das Problem: Die überdrehte Debatte überstrahlte die notwendige (!)   Diskussion über im Einzelfall tatsächlich bestehende Gefahren – ob durch die Impfung oder staatliche Einschränkungen.

Lasche Kontrolle lockt Kriminelle: Schnelligkeit beim Testen ging zunächst vor. Die Hürden, ein Testzentrum zu errichten, waren niedrig, die Kontrolle lasch. Kritiker sprachen von „Einladung zum Betrug“. Unter den Teststellen-Betreibern waren schwarze Schafe, die diese „Einladung“ annahmen: Es wurden Tests abgerechnet, für die nie jemand seine Nase hingehalten hatte. Ein lukratives Geschäft, ein Milliardenschaden.

Und dann die „Maskendeals“: Politiker vermittelten beim Verkauf der knappen Schutzmasken an den Staat und kassierten Provisionen. Das ist anrüchig, aber nicht strafbar, wie der Bundesgerichtshof befand. Da müssen Gesetze nachgeschärft werden.

Startseite