Tischtennis: Verbandsliga 2
Besuch aus dem Baltikum: Gintautas Juchna und Donatas Lescinskas
Lüdinghausen
Gintautas Juchna ist in dieser Saison der überragende Mann der Nullachter – und maßgeblich am Gewinn der Meisterschaft, falls es denn so kommt, beteiligt. Wohl fühlen er und Landsmann Donatas Lescinskas sich aber nicht nur an der Platte.
Freitag, 15 Uhr. Der Kuchen (natürlich selbst gemacht), den Brigitta Mauritz serviert, sieht verflucht lecker aus. Während Ehemann Uli sowie die beiden Gäste aus Litauen, Gintautas Juchna und Donatas Lescinskas, gebannt auf der Mattscheibe verfolgen, wie sich Alexander Zverev im Halbfinale von Dubai im Duell mit Andrey Rublev schlägt. Juchna hat vorher noch ein kleines Nickerchen gemacht, gleich wird sich Lescinskas, gerade aus seiner Wahlheimat Kopenhagen gekommen, kurz hinhauen. Kann ein Wochenende entspannter beginnen?
Offenbar nicht, wie Juchna, die Nummer eins des Tischtennis-Verbandsligisten Union Lüdinghausen, bestätigt: „Extrem wohl“ fühle er sich bei Familie Mauritz, in der Steverstadt – und in der Sporthalle. Denn der 48-Jährige ist ja nicht (nur) zu seinem Vergnügen aus Vilnius angereist. Er soll den Nullachtern dabei helfen, nur ein Jahr nach dem Abstieg in die NRW-Liga zurückzukehren. Und, was soll man sagen: Der Mann liefert. Samstag für Samstag. 39 Mal kam Juchna bislang zum Einsatz. Anzahl der Siege: 38. Ein Mal, im Doppel, zogen Andreas Langehaneberg und er den Kürzeren. Aber das sehen die Lüdinghauser ihm gern nach. Klappt das mit dem Wiederaufstieg, wofür eine Menge spricht, dann haben sie das vor allem ihrem Spitzenspieler zu verdanken.
Top-Bilanz keine Überraschung
Sonderlich überrascht von der Erfolgsbilanz ist Mauritz, der sich nicht nur um die Unterbringung der Litauer kümmert, sondern praktisch um alles in der Abteilung, nicht: „Ich hätte gedacht, dass er vielleicht zwei, drei Spiele abgibt. Dass ,Gintas‘ ein Guter ist, wussten wir ja vorher.“ 24 Mal Meister seines Landes, Ü 45-Europameister im Einzel wie im Doppel (mit Lescinskas). Und dann sind da noch die ungezählten Siege bei EM, WM sowie Weltspielen der Gehörlosen („Deaflympics“).
Juchna ist seit seiner Geburt nahezu taub. Ob er den Applaus von Fans und Teamkollegen nicht vermisse? Oder ob er, andersrum, umso fokussierter sei, da er keine Störgeräusche wahrnimmt? Wisse er nicht, antwortet Juchna, der im Privaten ein Hörgerät trägt: „Ich kenne es ja nicht anders.“ Okay, doofe Frage.
Welche Sportarten ihn interessieren? „Alle“, sagt Juchna und strahlt. Mauritz, der, wie man weiß, ganz ähnlich tickt, grinst. Besonders hoch im Kurs in der Heimat steht – Nationalheld Arvydas Sabonis sei Dank – Basketball. Die Korbjagd ist in Litauen „mit Abstand das Größte. Weit vor Fußball“, berichtet Kumpel Lescinskas (der mal mit Ex-HSV-Profi Valdas Ivanauskas in einer Hobbytruppe gekickt hat).
Tochter spielt in Liga zwei
Juchna leitet in der litauischen Hauptstadt eine Akademie für den Tischtennis-Nachwuchs. Tochter Lukrecija Juchnaité zählt bereits mit 15 zu den Besten ihres Landes und begleitet den Papa regelmäßig nach Deutschland, wo sie in Liga zwei für den TTC Anröchte aufschlägt. Dabei ist der Besuch aus dem Baltikum laut Mauritz „total pflegeleicht“.
Man könnte den angenehmen Plausch noch ewig fortsetzen, müsste man nicht zurück in die Redaktion und Lescinskas ins Bett. Abschließende Frage: Wie nehmen sein Landsmann und er den Krieg in der Ukraine wahr? Immerhin ist Litauen von Belarus und der russischen Exklave Kaliningrad umschlossen. Juchnas Miene verfinstert sich. Die Sorge sei riesig, dass, sollte Putin mit seinem Landraub durchkommen, er als Nächstes die ehemaligen Sowjetrepubliken angreife. Lescinskas, 53, erinnert in dem Zusammenhang an Jugendcamps, die die beiden, noch zu Zeiten des Eisernen Vorhangs, besucht hätten: „Russen, Ukrainer, Litauer – Probleme gab es nie.“ Und heute? „Erzählt man uns, dass wir die andere Seite hassen sollen. Und umgekehrt. Es ist so verrückt – und so traurig.“
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