1. www.wn.de
  2. >
  3. Sport
  4. >
  5. Luedinghausen
  6. >
  7. Julien Carraggi - kunstsinnig, sprachbegabt, Tan-Fan

  8. >

Badminton: Bundesliga

Julien Carraggi - kunstsinnig, sprachbegabt, Tan-Fan

Lüdinghausen

Julien Carraggi ist vor der Saison von Erstligaabsteiger TSV Trittau zu Union Lüdinghausen gewechselt. In seiner Premierensaison für die Nullachter spielt der 22-Jährige gerade daheim groß auf. Dabei tritt der Belgier in große Fußstapfen. 

In seiner Premierensaison für Union Lüdinghausen vor eigenem Anhang noch unbezwungen: die belgische Nummer eins Julien Carraggi. Foto: flo

Natürlich weiß Julien Carraggi um den Legendenstatus, den Yuhan Tan nicht nur in seiner Heimat genießt. Da eh, sagenhafte elf Male hintereinander war Tan Belgischer Meister. Aber auch bei Union Lüdinghausen prägte der Mann über einen ähnlich langen Zeitraum das Geschehen. Zählte, damals noch im Anton, zu den Publikumslieblingen und hatte entscheidenden Anteil am Gewinn des ersten und bis dato einzigen Titels in der Bundesliga , 2014 war das.

Ob er Ähnliches im Sinn habe, wollen die WN von Carraggi wissen. „Was genau? Elf Mal nationaler Meister am Stück? Klar. Wieso nicht gleich 20 Mal?“, fragt der junge Mann scherzhaft zurück. Es scheint ihm etwas unangenehm, mit dem Säulenheiligen dieser Sportart in seinem Mutterland verglichen zu werden. „Eine Institution“ sei Tan, sagt Carraggi, „ich hatte das Glück, noch gegen ihn spielen zu dürfen“. 2019, im Finale von Brüssel, traf er, ein Jüngling von 18 Jahren, auf den Altmeister – und verlor.

Seit 2021 die Nummer eins in Belgien

Seither ist Carraggi selbst die unumstrittene Nummer eins (und die Frage nach möglichen Parallelen in der Karriere daher gar nicht so abwegig). 2020 war Corona, 2021 und 2022 gewann er die „Championnats de Belgique Elites“. 2023, vergangenen Monat, schied er im Halbfinale aus. Aber das zähle nicht, da sei er tags zuvor von einem Turnier in Asien zurückgekehrt, schwer jetlaggeplagt.

Auch international hat Carraggi längst seine Duftmarken gesetzt. Binnen eines Jahres kletterte er in der Weltrangliste um rund 50 Plätze, aktuell ist er die Nummer 81. Zuletzt, bei den Polish Open, erreichte er das Halbfinale, schaltete auf dem Weg dorthin seinen Vorvorgänger in der Steverstadt, Kai Schäfer, aus (am Sonntag, beim Bundesligafinale zwischen Union und Dortelweil, dürften beide erneut aufeinandertreffen).

Woher die plötzliche Leistungsexplosion? Er sei professioneller geworden, erklärt Carraggi – „in allem“. Ernährung, Gesundheit, mentales Training. Das zahle sich aus. Sein Fernziel? Logisch, die Spiele von Paris. In Kürze beginnt die Qualifikationshatz über die Kontinente. Im eigenen Land droht Carraggi keine Gefahr. Aber weil für das olympische Turnier nur 36 Tickets im Einzel vergeben werden und der Verteilungsschlüssel ein bisschen kompliziert ist, müsse er am Ende der Quali „wohl irgendwo zwischen Platz 65 und 70“ im internationalen Ranking landen. Müßig zu erwähnen, dass Yuhan Tan, der 2012 in London und vier Jahre darauf in Rio am Start war, dem Lüdinghauser auch in dieser Kategorie (noch) ein Stück voraus ist.

Nur Siege in der Drei-Burgen-Arena

Was er mit den Nullachtern vorhabe? „Bestmöglich in der Liga abschneiden. Vielleicht das Final Four erreichen.“ Und die weiße Weste vor eigenem Publikum wahren. Alle sieben Einzel (und ein Doppel mit Josche Zurwonne) hat er in seiner Premierensaison für Lüdinghausen daheim gewonnen – darunter jenes epische Fünfsatzmatch gegen den ehemaligen Deutschen Meister Fabian Roth vom TV Refrath.

Er fühle sich einfach besonders wohl in der Drei-Burgen-Arena („die besten Fans der Liga“). Im Team – unter lauter Niederländern – sowieso. Sprachbarrieren gibt es keine, die Mutter ist Flämin. Parlieren könnte er mit den Mannschaftskollegen aber auch auf Französisch (der Papa ist Wallone), Italienisch (die Großeltern stammen aus Sizilien) oder Englisch. Deutsch? Mit dem Rede tue er sich noch etwas schwer, „aber ich verstehe das meiste“.

Wobei Carraggi nicht nur sprachbegabt ist, sondern zudem kulturbeflissen. In Leuven, dieser wunderschönen, mittelalterlichen Uni-Stadt, studiert der 22-Jährige Kunst- und Architekturgeschichte. Interessante Kombi, nicht? „Ja“, sagt Carraggi und lacht, „im Badminton ziemlich einzigartig“. Zumindest in diesem Punkt eifert er dem großen Landsmann nicht nach, Tan arbeitet seit einiger Zeit als Krankenhausarzt.

Spannender Endspurt

Startseite