Radsport: DM
Kurbeln mit den großen Jungs – Niehues-Premiere im Sauerland
Lüdinghausen
Der Lüdinghauser Sebastian Niehues nimmt zum ersten Mal an den nationalen Titelkämpfen der Männer teil. Ein Seppenrader feiert ebenfalls seine DM-Premiere. Das Zeitfahren und das Straßenrennen könnten anspruchsvoller nicht sein.
Schade, dass Tony Martin nicht dabei ist. Der Mann, der das Einzelzeitfahren auf ein neues Level gehievt und über Jahre dominiert hat. Der vier Mal Weltmeister war und bei Deutschen Meisterschaften zwischen 2010 und 2021 sagenhafte zehn Titel holte. Mit dem hätte sich Sebastian Niehues ja schon mal ganz gern gemessen. Aber: Martins Karriere ging zu Ende, ehe die des Lüdinghausers so richtig begonnen hat. Zwar kann Niehues in seiner Paradedisziplin bereits einige Erfolge vorweisen. Auch bei nationalen Titelkämpfen war er schon am Start. Aber eben in der Klasse U 23. Am heutigen Freitag (24. Juni) kurbelt der noch 22-Jährige zum ersten Mal bei den großen Jungs mit.
Erlesenes Fahrerfeld
Und auch wenn der große Dominator vergangener Jahre fehlt: Der Kampf gegen die Uhr ist schon ziemlich exquisit besetzt. Vorjahres-Vize Miguel Heidemann (B&B-Hotels), Max Walscheid (Cofidis), der aufstrebende Michel Heßmann (Jumbo-Visma), Jannik Steimle (Quick Step) und nicht zuletzt die Bora-Armada um Nils Politt, Lennard Kämna sowie Max Schachmann (EM-Dritter 2018): alles Leute von internationalem Format.
Eine bestimmte Platzierung hat sich Niehues angesichts der gewaltigen Konkurrenz bewusst nicht vorgenommen. Zumal ihn erst kürzlich ein hartnäckiger Infekt ausbremste, „ich also nicht genau weiß, wo ich leistungsmäßig stehe“. Auch hat der Steverstädter in diesem Jahr erst ein einziges Zeitfahren bestritten, im Rahmen der Tour de la Mirabelle Ende Mai. Der dritte Platz beim Prolog: aller Ehren wert. Nur waren die 2600, topfebenen Meter im Südwesten Frankreichs ein Witz im Vergleich zu den mit einigen giftigen Rampen bestückten 27,5 Kilometern, die die Fahrer heute Nachmittag auf dem Rundkurs von und nach Marsberg bewältigen müssen. Immerhin: Am Material soll es nicht scheitern. Mischte Niehues die Junioren-Konkurrenz 2021 noch mit einem Zeitfahrrad Marke Eigenbau auf, so sitzt er inzwischen auf einer Spezialmaschine, die ihm sein neues Team Bike Aid zur Verfügung stellt. Der Rennstall mit Sitz im Saarland, der sich international auch deshalb einen Namen gemacht hat, weil er Radsport und Bildung in Afrika fördert, besitzt KT-Status, die dritte Liga hinter den World-Tour- und Pro-Mannschaften.
4000 Höhenmeter
Noch anspruchsvoller als der Kampf gegen die Uhr ist das Straßenrennen am Sonntag von Neheim rauf auf den Kahlen Asten. Qualvolle 4000 Höhenmeter wollen erklommen werden (zum Vergleich: 4700, also nur unwesentlich mehr, sind es auf der Königsetappe der diesjährigen Tour de France über Galibier und Croix de Fer nach Alpe d‘Huez). Niehues, ein Hemd, kommt die Berge zwar ganz gut hoch, „aber da gibt es schon ein paar Spezialisten, die deutlich leichter sind“. Auch die Streckenlänge sei nicht ohne, erst zwei, drei 200-Kilometer-Rennen hat der ehemalige Langstreckenläufer in seiner noch jungen Laufbahn bestritten.
Neben Ausdauer und Kletterqualitäten spiele die Taktik eine entscheidende Rolle, glaubt der Youngster. Ein Überraschungsangriff vielleicht, zum Beispiel gemeinsam mit Trainingspartner Julian Horstmann (Seppenrade)? „Nee“, winkt Niehues ab, „da werden Bora und Co. auf der Hut sein.“ Für den Mann aus dem Rosendorf, der in der Bundesliga im Leeze Team Münster pedaliert, ist es, im vorgerückten Sportleralter von 34 Jahren, ebenfalls die erste DM-Teilnahme. Einerseits freue er sich auf die Premiere, andererseits „ist der Spaß schnell vorbei, falls die World-Tour-Mannschaften von Beginn an Ernst machen“.
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