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Fußball-Legende

Erwin Kostedde feiert leise und bescheiden 70. Geburtstag

Münster

„Ich war der erste farbige Nationalspieler“, sagt Erwin Kostedde noch heute. Er wurde „brauner Bomber“ genannt, Mutter Westfälin, Vater unbekannt und Soldat der amerikanischen Besatzungstruppen nach Ende des zweiten Weltkrieges. Drei Länderspiele 1975 und 1976 gehörten zu den Höhepunkten eine schillernden Fußballerlaufbahn. Am Samstag feiert der gebürtige Münsteraner seinen 70. Geburtstag, nach Jahren der Wanderschaft ist er nahe seiner Heimatstadt wieder sesshaft geworden.

Alexander Heflik

Erwin Kostedde im Sommer 1976: Als 30-Jähriger spielte Kostedde im Trikot von Borussia Dortmund. Foto: Witters

Manchmal noch, wenn Erwin Kostedde seine Runde mit Jack-Russel-Terrier Jimmy dreht, wird er auf der Dorfstraße angesprochen. „Die Menschen wollen dann tatsächlich auch mal ein Autogramm von mir. Das ist doch erstaunlich“, fragt sich Erwin Kostedde, wieso er immer noch eine gewisse Popularität besitzt. Anfang der 80er Jahre bestritt er seine letzte Profipartie beim VfL Osnabrück, alles ist so weit weg. Nun wird er 70, gesundheitlich ist er angeschlagen, aber er will nicht klagen. Er ist zurückgekehrt, vielleicht nicht in Münsters Osten, wo er aufwuchs. Aber nicht weit davon hat er sich in einem Dorf eingerichtet, er fühlt sich wohl, dennoch will er den Namen der Gemeinde nicht nennen. „Mir fehlt nichts, ich bin jetzt Rentner. Und ich habe eine Superfrau und will meine Ruhe“, und sieht sein Glück vor allem Gattin Monique, 47 Jahre sind sie verheiratet. Braucht man mehr?

Kosteddes Weg führte zurück in die Region, wo er einst ein Exot war, als „Negerkind“, gehänselt und ausgegrenzt wurde – hier schließt sich der Kreis. Wann immer er kann, besucht er mit seinem Sohn die Heimspiele des SC Preußen Münster, immer im Block L. „Ja; das ist jetzt mein Verein. Mir gefällt das, aber eigentlich müssten die Preußen doch mindestens in der 2. Bundesliga spielen, oder?“

Erwin Kostedde (rechts) schießt den Ball ins Tor zum 1:1, links neben ihm der Kölner Spieler Weber, der den Schuss nicht verhindern konnte, aufgenommen am 25. Mai 1973. Foto: dpa

Fußballerische Grundausbildung in Münster

In Münster sammelte Kostedde das fußballerische Rüstzeug. Er machte die sogenannte Kanalrunde, spielte da beim SC Münster 08 und Saxonia Münster, benachbarte Clubs am Dortmund-Ems-Kanal. Die Preußen-Legende Felix „Fiffi“ Gerritzen verpasste ihm den ersten Feinschliff. Kostedde: „Ein feiner Mensch. Er hat mir den Übersteiger beigebracht.“ Aber nur zwei Spielzeiten spielte er dann bei den Preußen in der Regionalliga, ehe er zum MSV Duisburg verkauft wurde. Unter Gyula Lorant feierte er sein Bundesligadebüt: „Ich war jung, habe gespielt wie ein junger Gott. Alles ist mir zu Kopf gestiegen.“

Zur Person

Geboren: 21. Mai 1946, Münster

Vereine: SC Münster 08, Saxonia Münster, Preußen Münster, MSV Duisburg, Standard Lüttich, Kickers Offenbach, Hertha BSC, Borussia Dortmund, Union Solingen, Stade Laval, Werder Bremen, VfL Osnabrück

Erfolge: Torschützenkönig 1971 in Belgien, Schütze des Tors des Jahres 1974, Torschützenkönig 1980 in Frankreich.

Länderspiele: 3

Pflichtspiele: 385 (202 Tore).

Abseits der Platzes war er manches Mal wild unterwegs. Der Mittelstürmer aber hatte genau das, was alle Bundesligisten wollten. Geschickte Bewegungen, Tempo, Durchsetzungskraft und vor allem Torinstinkt. Es sollen 202 Treffer in 385 Pflichtspielen gewesen sein, Torschützenkönig in Belgien (1971) und Frankreich (1980), Tor des Jahres 1974, Nationalmannschafts-Debüt. Die Jahre bei Kickers Offenbach und Standard Lüttich sind goldene, Kostedde ist ein Stürmerstar der Extraklasse, sei nennen ihn „braunen Bomber“. „Keiner hat mich gefragt, ob mir das gefällt“, erinnert er sich – und es gefiel ihm nicht. Dass in der Karrierebilanz die großen Titel fehlen, bedauert er ebenfalls. Mit Werder Bremen steigt er im Herbst seiner Karriere unter Otto Rehhagel in die 1. Bundesliga auf.

Plötzlich läuft vieles schief

Danach läuft vieles falsch, er verliert Millionen durch windige Berater, Trainerstationen bei drittklassigen Teams sind Flops. Aber alles ist nichts gegen den Justizskandal von 1990. Kostedde soll eine Spielothek im westfälischen Coesfeld überfallen haben, sitzt monatelang in Untersuchungshaft, es besteht Selbstmordgefahr, am Ende wird er freigesprochen und mit 3000 Mark Schmerzensgeld abgespeist.

Heute will er darüber nicht mehr reden, es schmerzt ihn. Zum Glück hat er seine Heimat für den Lebensabend gefunden. „Früher“, blickt er zurück, „früher war ich in diesem Ort im Sommer immer mit den Pfadfindern. Da war hier nichts. Jetzt ist es wunderbar.“

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