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Fußballerische Widersinnigkeiten: Von Nasenpflastern und Löcherstutzen

Riechsalz ist der heißeste Trend

Kreis Steinfurt

Was sich Profisportler - spezeiell Fußballer - alles einfallen lassen, um leistungsfähiger zu sein: Einst waren es Nasenpflaster, aktuell sind es Löcherstutzen, demnächst könnte es Riechsalz sein. Ein Sportmediziner, ein Trainer und ein Betreuer schütteln da mit den Köpfen.

Von Marc Brenzel

Olaf Marschall ist der "Godfather of Nasenpflaster". Foto: imago sportfotodienst

Vor 25 Jahren gelang dem 1. FC Kaiserslautern beinahe Unglaubliches: Als Aufsteiger wurden die „Roten Teufel“ Deutscher Meister. Das gab es vorher noch nie und seit dem auch nicht mehr. Toptorjäger der Pfälzer war Olaf Marschall, dessen Markenzeichen das berühmte Nasenpflaster war.

Stutzen kaputt getreten und nicht kaputt geschnitten

Das kam 1993 auf den Markt und war eigentlich als Hilfe gegen das Schnarchen gedacht, bevor es von den Kickern zweckentfremdet wurde. Ihr Ansatz: Es sollte die Nasenflügel spreizen und so für einen besseren Luftzustrom und damit mehr Leistungsfähigkeit sorgen. „Das wurde drei, vier Jahre mal so richtig gehypt“, erinnert sich Dr. Jochen Veit zurück. Der Sportmediziner aus Nordwalde kann über die Sinnhaftigkeit nur lächeln. Noch abstruser findet Veit den Trend, sich jetzt im Wadenbereich Löcher in die Stutzen zu schneiden. Jude Bellingham, Leroy Sane oder Neymar praktizieren das. Der Druck, den die eng anliegenden Textilien auf die Muskulatur ausüben, würde so reduziert und somit möglichen Krämpfen vorgebeugt, argumentieren die Stars. Für Veit eher widersinnig: „Fördernder wäre eigentlich das Gegenteil, nämlich für eine Kompression zu sorgen. Durch den Druck auf die Venen werden die Leistung der Muskeln und die Durchblutung der Beine nämlich verbessert.“

Dortmunds Jude Bellingham scchneidet sich Löcher in die Stutzen. Foto: www.imago-images.de

Dass die Trends aus der Bundesliga mit Verspätung auch in den Amateurklassen ankommen, verfolgt Christoph Klein-Reesink amüsiert. „Nasenpflaster habe ich früher eher verteilt, und die Stutzen wurden im Zweikampf kaputt getreten und nicht vor dem Spiel zerschnitten“, erinnert sich der Trainer des SV Burgsteinfurt an seine aktive Zeit, in der er in der Oberliga unterwegs war. „Damals spielten wir gegen die Amateure von Bochum, Dortmund oder Schalke. Und die fingen mit solchen Geschichten wie farbigen Schuhen an, weil sie die von den Profis her kannten. Ich habe mich über sowas eher amüsiert. Aber gut: Wer meint, dass das der Leistung förderlich ist, der soll das machen.“

Die Schienbeinschoner werden auch immer kleiner. Foto: www.imago-images.de

Die Weltmeisterschaft 2010 war sozusagen die große Bühne für die Kinesio-Tapes. Jene bunten Streifen aus Baumwolle, die mit Hilfe einer Acryl-Klebeschicht auf die Muskulatur geklebt werden. Nationalspieler wie Bastian Schweinsteiger, Physiotherapeuten und Ärzte schwörten auf die asiatischen Wunderstreifen. Durch permanente Stimulation sollten sie unter anderem die Durchblutung fördern, die Muskulatur belastbarer und den Sportler so leistungsfähiger machen. Die Tapes wurden zeitnah auch in den Kreisligen zum Renner.

Mehr als nur ein Modetrend

Eine lange Radlerhose unter der Sporthose zu tragen, das boomte bereits Ende der 80er Jahre. Damals in Teilen ein Modetrend, aber rückblickend absolut als wirkungsvoll zu empfehlen. Die moderne Variante der Radlerhose seien laut Jochen Veit ja die Funktionsunterwäsche oder die Core-Shorts. Sie vermeiden Zerrungen, Überdehnungen im Leistenbereich, wirken Hüft- und Adduktorenproblemen vor und entlasten Muskeln, Bänder und Sehnen. „Sportunterwäsche ja, Kinesio-Tapes durchaus auch – Nasenpflaster eher nicht und Löcher in den Stutzen auf keinen Fall“, empfiehlt der Mediziner Amateuren, die sich mit der Thematik auseinandersetzen, nicht alles zu übernehmen.

Als Teamarzt des DEL-Eishockey-Teams der Iserlohn Roosters bekommt der 50-Jährige die neuesten Entwicklungen aus dem Profibereich aus erster Hand mit. Das Heißeste aktuell: Riechsalz. „Darauf schwören die Jungs. Sie versprechen sich, sofort voll da zu sein, wenn sie das einatmen“, verweist Veit auf die stimulierende Wirkung, den der Ammoniakgehalt des Salzes haben soll. „Ruhig mal bei der jetzt beginnenden Eishockey-WM drauf achten“, empfiehlt er.

Beim Eishockey ist Riechsalz gerade mega in. Wann kom mt das beim Fußball ins Spiel? Foto: www.imago-images.de

Frank Mulder ist seit gefühlten Ewigkeiten Teambetreuer. Erst beim SC Arminia Ochtrup und mittlerweile beim neugegründeten FSV. Dem überall als „Ello“ bekannten Töpferstädter bleibt auf den Plätzen des Kreises nichts verborgen. „Dass sich einer hinten Löcher in die Stutzen schneidet, habe ich selbst noch nie gesehen, wohl aber, dass sich die Jungs die Stutzen in Knöchelhöhe abschneiden. Einer der ersten, der das gemacht, war Christopher Ransmann“, hat Mulder noch genau im Gedächtnis, wie ihn der damalige FSV-Spielertrainer mit dem Stutzen in der Hand nach einer Schere fragte. Der Grund waren die neuen Socken mit Antirutschnoppen an der Fußsohle, die verhindern sollten, dass ein verschwitzter Fuß im Schuh hin und her rutscht.

„Okay, kann ich noch nachvollziehen“, positioniert sich Mulder. Aber einen Trend wird er nie verstehen: „Die Schienbeinschoner werden immer kleiner. Mittlerweile sind die so groß wie Zigarettenschachteln. Was sollen die denn so noch schützen?“

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