Fußball: DFB-Team
„Gnadenlos ausgespielt“: Deutsche Defensive desolat, aber Joker punkten
Köln
Eine desolate Abwehrleistung in der ersten halben Stunde und ein Aufbäumen danach kennzeichneten die DFB-Schlappe gegen Belgien (2:3). Auffällig waren vor allem das Verhalten des Publikums in Köln – und zwei Joker von Hansi Flick.
Die nach dem Abpfiff eilig herausgekramten Statistiken ließen Hansi Flick weitgehend kalt. Die erste Niederlage in einem Freundschaftsspiel seit mehr als fünf Jahren, die erste Pleite gegen Belgien seit 1969 – das durfte dem Bundestrainer alles egal sein. „60, 65 Minuten war es ein gutes Spiel“, sagte er nach dem 2:3 (1:2) gegen die „Roten Teufel“ und hatte nicht Unrecht. Dennoch musste der 58-Jährige den Fokus auf die indiskutablen ersten 25, 30 Minuten legen. „Wir waren zu verhalten, zu passiv. Wir haben den Gegner nicht unter Druck setzen können, der hat uns gnadenlos ausgespielt.“
Flick bewegte sich im Zentrum von Kritik und auch ein bisschen Lob. Dass Antonio Rüdiger und Niklas Süle, aber auch Ilkay Gündogan gegen Sturmkoloss Romelu Lukaku, den filigranen Kevin De Bruyne und Kollegen aussetzten, war Flicks Entscheidung. Doch Thilo Kehrer und Matthias Ginter entpuppten sich als Leichtgewichte, von den Außenbahnen (Marius Wolf und David Raum) ganz zu schweigen, dort findet der DFB einfach keine 1a-Lösung. Wenn dann Joshua Kimmich einmal mehr seinem Leader-Anspruch rein sportlich nicht annähernd gerecht wird, kommt sowas wie die erste halbe Stunde in Köln dabei heraus.
Flick: „... den haben wir gebraucht“
Die Experimente muss sich Flick ankreiden lassen. Es wird höchste Zeit, mit Blick auf die so wichtige Heim-EM einen Stamm, eine Basis zu generieren. Andererseits bewies er ein gutes Näschen im Coaching, als er nach einer halben Stunde auf ein 4-3-3 umstellte und mit Debütant Felix Nmecha sowie Emre Can neue Frische brachte. Besonders der BVB-Routinier trumpfte auf und meldete sich endgültig im Nationalteam zurück.
„Ich habe versucht, das zu tun, was ich am besten kann, in Zweikämpfen aktiv und präsent zu sein“, sagte er gelassen. Flick plant den 29-Jährigen offenbar wieder vermehrt ein. „Emre war der aggressive Leader, den wir gebraucht haben. Er hat die Mannschaft mit seinen Zweikämpfen wachgerüttelt.“
Ein Punkt, den Kimmich erneut nicht für sich verbuchte. Zu oft lief der Münchner hinterher, verlor den Ball, auch wenn er sich wie alle Mitspieler im Laufe der Begegnung deutlich steigerte. Immerhin nahm er neben dem Platz kein Blatt vor den Mund. „Wir waren anfangs überhaupt nicht da, weder körperlich, noch vom Kopf her“, sagte der Bayern-Profi. „Wichtig war, dass wir eine Reaktion gezeigt haben, trotzdem war es zu wenig.“
Kehrer: „Das Spiel war teilweise wild“
Trotz des Rückstands nach neun Minuten durch Yannick Carrasco und Lukaku war das Publikum in Müngersdorf der Mannschaft wohlgesonnen, sparte sich selbst im Tohuwabohu der ersten Minuten Pfiffe und peitschte die Gastgeber in den guten Phasen nach der Pause regelrecht nach vorn. Es wurde honoriert, dass sich niemand aufgab, die WM-Enttäuschung von Katar spielte keine Rolle mehr. „Das Spiel war teilweise wild, die Unterstützung von den Rängen aber super“, meinte Kehrer.
Damit das auch bei den nächsten Länderspielen im Juni (vermutlich gegen die Ukraine und Polen) so bleibt, bedarf es eines anderen Auftretens. Und vor allem der Rückkehr Etablierter. Dafür muss Flick sie einladen, und dafür sollten sie nach dem Ende einer langen Saison nicht reihenweise absagen. Vor der DFB-Elf liegen spannende Monate.