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Mozarts „Don Giovanni“ als turbulenter Spaß in Münster

Der Komtur kommt in die Kiste

Münster

Mit der riesigen roten Schleife über dem Faltenwurf ihres Kleides sieht sie wie ein kostbares Geschenk für den Titelhelden aus: Donna Elvira, die einzige Frau, die den Verführer wirklich liebt. Und die mit ihrem Verfolgungsfuror zu seiner Entlarvung entscheidend beiträgt. Am Ende wartet dann ein ganz anderes Geschenk mit roter Schleife auf Don Giovanni ...

unseremRedaktionsmitgliedHarald Suerland

Don Giovanni (Filippo Bettoschi) wird von seiner Verflossenen Donna Elvira (Kristi Anna Isene) verfolgt, während Don Ottavio (Youn-Seong Shim) und Donna Anna (Nina Koufochristou) gerade in der Kiste stecken. Foto: Jörg Landsberg

„Der bestrafte Wüstling“ heißt Mozarts Oper auch – man denkt unweigerlich an aktuelle Debatten. Regisseur Christian von Götz allerdings hält in Münster größtmöglichen Abstand zur Aktualisierung des Stücks, sondern entwickelt es aus der italienischen Commedia dell’Arte, deren Figuren gleich zu Beginn vor dem Orchestergraben aufmarschieren. So bunt und fantasievoll, wie Sarah Mittenbügler diese Gestalten kostümiert hat, ist auch die blümerante Bühne Lukas Nolls. Und dass der Titelheld mit Donna Anna, dem aktuellen Objekt seines Begehrens, am Anfang aus einer Kiste springt, ist hier kein symbolischer Akt, sondern eher Element eines Kasperletheaters für Erwachsene. Wenig später wird Annas Vater, der Komtur, tot in der Kiste landen

Der Regisseur und der Dirigent Golo Berg haben sich für eine Fassung entschieden, die mit der Höllenfahrt Don Giovannis endet und auf den ironisch moralisierenden Schluss verzichtet. Das mag angesichts des komödiantischen Zugriffs überraschen, passt aber insofern ins Konzept, als die Toten in dieser Inszenierung – der Komtur zu Beginn und sein Mörder Don Giovanni am Ende – gar so tot dann doch nicht sind.

Christian von Götz ist ein charmanter Gag-Erfinder: Da gibt es etwa im Waffenarsenal des rachedurstigen Masetto neben Panzerfäusten einen Sparschäler, und Maulheld Don Ottavio singt seine Arie „Il mio tesoro“ wie eine Rede in der Speakers’ Corner – kein Wunder, dass das Publikum sich prächtig amüsiert. Aufführungssprache der Arien und Ensem­bles ist Italienisch mit Übertiteln, der Sprechgesang der Rezitative erklingt in deutscher Sprache.

Bisweilen geht der Regisseur ein bisschen lässig mit der Handlung um: Die Maskenszene im ersten Finale etwa ist schwach ausgeprägt, stattdessen nutzt er seine Idee, die Zofe der Donna Elvira durchgehend zu zeigen, für einen Auftritt der Tänzerin Verena Hierholzer. So hat der Dirigent leichtes Spiel mit dem säuberlich aufgereihten Ensemble. Golo Berg liefert mit dem Sinfonieorchester Münster jene Schärfe und Blechbläser-Dämonie, die optisch ausgespart bleibt.

Vom bewährt praktikablen Steg vor dem Orchestergraben profitiert nicht nur das spielerische Element – Filippo Bettoschi beispielsweise singt die Titelpartie so leicht und elegant, dass es eine Freude ist. Mit Gregor Dalal hat er einen Leporello an der Seite, der sich locker zum Publikumsliebling singt und spielt, mit Stephan Klemm einen sonoren Komtur-Gegenspieler. Youn-Seong Shim darf nur die Ottavio-Arie der Prager Urfassung singen, tut das aber um so glanzvoller. Den drei Frauen hat Mozart höchst anspruchsvolle Aufgaben zugedacht: Mit der quirligen Zerlina ist Kathrin Filip ganz in ihrem Element (wie auch ihr Masetto-Partner Christoph Stegemann). Die großen Heroinen Donna Anna und Donna Elvira sind ebenfalls bestens besetzt: Nina Koufochristou überzeugt mit virtuoser Leichtigkeit für Annas vokale Leidensgesten, und Kristi Anna Isene als auf der Pirsch befindliche Elvira, die von dem Mann nicht lassen kann, der sie verließ, ist nicht nur optisch eine Wucht: Ihre glasklar gesungenen Arien lassen sie fast zum Zentrum werden. Auch eine Art Geschenk.

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Nächste Aufführungen in Münster: 31. Mai, 2. und 8. Juni   | www.theater-muenster.com

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