1. www.wn.de
  2. >
  3. Welt
  4. >
  5. Fernsehen
  6. >
  7. Virtual Reality auf dem Mobile World Congress - und im ZDF

  8. >

"Operation Naked"

Virtual Reality auf dem Mobile World Congress - und im ZDF

„Bitte die Virtual-Reality-Brillen aufsetzen!“ Was zunächst noch klingt wie ein Zitat aus einem Science-Fiction-Reißer, war am Sonntag bei der Samsung-Show zum Mobile World Congress in Barcelona tatsächlich möglich. Mithilfe eines Geräts abzutauchen in die virtuelle Realität könnte schon bald zum Alltag werden. Passend zum Start der Technik-Messe zeigt das ZDF am Montagabend den Film „Operation Naked“. Internet-Journalist Mario Sixtus zappt sich in seiner Mockumentary durch verschiedene ZDF-Sendungen und entwirft das Bild einer völlig digitalisierten, gläsernen Gesellschaft.

Kristina Sehr

Szene aus "Operation Naked": Bei einem Blick durch die Datenbrille werden zusätzlich Informationen grafisch im Blickfeld eingeblendet. Foto: ZDF/Patrick Jasim

Eine der größten Mobilfunk-Messen der Welt hat ihre Pforten wieder geöffnet: Auf dem Mobile World Congress in Barcelona stellen die namhaften Hersteller jährlich die neuen Hightech-Innovationen vor. Das wichtigste Thema des diesjährigen Events steht schon jetzt fest. Virtual Reality (VR) bestimmt die Produkt-Neuheiten. Dies wurde bereits anlässlich der Samsung-Präsentation am Sonntag deutlich: Die südkoreanische Marke setzt massiv auf den VR-Trend in Kombination mit neuen Smartphones.

Selbst Internet-Mogul Mark Zuckerberg war mit von der Partie, hatte er doch selbst bereits zwei Milliarden Dollar in die Technologie investiert. „Virtuelle Realität ist die nächste Plattform“, betonte der Facebook-Gründer. Sie werde mit der Zeit alle Lebensbereiche verändern. Daher sei er nun die Partnerschaft mit Samsung eingegangen - Samsung bringe seine Stärke als Hardware-Hersteller ein, er selbst wolle Software-Know-How beisteuern.

2016 soll der Durchbruch für VR-Brillen kommen

Anlässlich der Messe stellten auch konkurrierende Hersteller Produkte rund um Virtual Reality vor. LG, Oculus und Sony Playstation präsentierten neue VR-Brillen und HTC kündigte an, im April sein High-Tech-Headset Vive auf den Markt zu bringen.  Der Markt für virtuelle Realität werde im laufenden Jahr um mehr als das Vierfache auf ein Volumen von drei Milliarden Dollar wachsen, konstatierte Samsung-Manager Martin Börner. Damit würde die Technologie endlich den Weg aus der Nische finden und auch im heimischen Wohnzimmer Einzug halten. Lange haben die Entwickler an der neuen Technologie getüftelt, 2016 soll nun der Durchbruch kommen.

Doch wie würde sich der Einzug der Virtual Reality tatsächlich bemerkbar machen? Spazieren wir bald alle mit Datenbrillen durch die Fußgängerzone? Reicht in naher Zukunft wortwörtlich ein Wimpernschlag aus, um eine Suchmaschine zu nutzen, und können wir einander schon bald beim Kennenlernen in der Bar mithilfe der VR-Technologie abscannen und alle relevanten Daten erhalten?

Mockumentary mit ZDF-Prominenz

Die Mockumentary „Operation Naked“ des Web-Journalisten Mario Sixtus beleuchtet genau diese potenzielle Entwicklung im digitalen Zeitalter. In seiner fiktiven Dokumentation zappt Sixtus sich durch die gesamte Bandbreite an ZDF-Sendungen. In Talkshows, dem heute-journal, dem Morgenmagazin oder Neo Magazin Royale wird die Geschichte des fiktiven High-Tech-Produkts „Real-o-Rama“, einer Virtual Reality-Brille, erzählt. Dass Sixtus für dieses Projekt Moderatoren wie etwa Markus Lanz, Dunya Hayali, Oliver Welke, Claus Kleber, Jan Böhmermann, Niels Ruf und viele weitere verpflichten konnte, macht das TV-Experiment umso eindrucksvoller.

Die Zuschauer werden in den Magazinbeiträgen und Talkrunden mit der fiktiven Jungunternehmerin Michelle Spark, gespielt von Sarah Rebecca Gerstner, bekannt gemacht. Sie hat die VR-Brille „Real-o-Rama“ entworfen - ein Gadget, das nicht nur virtuelle Suchmaschinennutzung, Navigation oder Preisvergleiche mithilfe eines Fingerzeigs möglich macht, sondern auch Passanten scannt und automatisch deren persönliche Daten anzeigt. Als sie in einer Live-Sendung mithilfe ihrer Brille mehr oder minder unbeabsichtigt einen jungen Mann als homosexuell outet, kommt es zum Eklat. Der Lehrer an einem konservativen Internat verliert seine Anstellung. Die Folge: ein immer hitziger werdender Diskurs in den Medien.

Digitale FKK-Bewegung

Nach und nach bilden sich zwei Gruppierungen. Auf der einen Seite stehen die Datenschützer, die um ihre Privatsphäre besorgt sind, darunter auch der Verein „Wider die Digitalisierung“ und die radikale Vereinigung „Aluköpfe“. Ihnen gegenüber sammeln sich die Netzaktivisten rund um Spark, die den Plan „Operation Naked“ verfolgen. „Operation Naked“, das bedeutet: Das Erschaffen einer utopischen Gesellschaft, in der die völlige Nichtexistenz von Privatsphäre Geheimniskrämerei unmöglich macht. „In einer Welt, in der man Makellosigkeit nicht mehr vortäuschen könnte, verlöre der Makel an Bedeutung“, proklamiert Virtual-Reality-Vorreiterin Spark in so manchem Fernsehformat. „Die virtuelle Realität bedeutet Wissen für alle, man kann auch sagen: Macht für alle.“ Das Ziel sei eine Welt, in der jeder Mensch jeden Menschen ansehen und sich denken könne, ich weiß, wer du bist. Garniert wird das crossmediale Kreuzfeuer von einem Fähnchen-mit-dem-Wind-Politiker, der seine Meinung je nach öffentlicher Stimmungslage willkürlich ändert und damit immer wieder aufs Neue Öl in das Feuer des plötzlich gar nicht mehr virtuellen, sondern ganz realen Konflikts gießt.

Die beiden verfeindeten Lager greifen zu immer radikaleren Methoden, um einander zum Schweigen zu bringen und mehrmals wird im Unterton die Frage gestellt, inwieweit der Zweck die Mittel legitimieren könne. Darf etwa der Staat ein Gesetz im „Grenzgebiet der Rechtsstaatlichkeit“ verabschieden, um die Privatsphäre des Einzelnen zu schützen? Sixtus garniert seinen Film mit einer ganzen Schatzkiste an Verweisen, die auf die Bandbreite des modernen Web 2.0 anspielen: Sei es das Phänomen Blogger, virale YouTube-Parodien, die Vereinigung Anonymous, der Abhörskandal rund um die NSA oder bekannte Netzgrößen wie MrTutorial - hier kommt kein Online-Phänomen zu kurz. Und schließlich wird sogar das vorliegende Filmformat von einem fiktiven Videoblogger als „Story Stumblr“, also als Zusammenschnitt einzelner TV-Schnipsel, enttarnt.

„Fast so wie ein freigelassenes Virus“

Doch in ihrer Gesamtheit entwerfen all diese Verweise eine eher dystopische als utopische Vision: Der Traum vom gläsernen Bürger, der durch seine Öffentlichkeit keine Angriffsfläche mehr bietet, steht auf der einen Seite - ihm gegenüber steht jedoch die Datenbrille als „privatheitsvernichtendes Gerät“, das jederzeit ganze „Biografien zerstören“ kann.

Der 50-jährige Mario Sixtus, selbst als Webmoderator für seine Video-Reihe „Elektrischer Reporter“ mit dem Grimme Online Award 2007 ausgezeichnet, formuliert die Absicht hinter seinem Werk ganz klar: „Mit ‚Operation Naked‘ möchte ich zeigen, wie schnell die Technologie eine Eigendynamik entwickeln kann. Sie verändert die Gesellschaft über Nacht und schert sich dabei nicht die Bohne um Politik, Medien oder die Volksmeinung – fast so wie ein freigelassenes Virus.“

Ob Zuckerberg und seine Gleichgesinnten solch dunkle Absichten verfolgen, ist fraglich - dass digitale Medien aber rasant eine Art Eigendynamik entwickeln können, unbestritten. Wie die Virtual Reality-Technologie sich etablieren wird, bleibt abzuwarten. Schon bald wird sie allerdings nicht mur nur virtuell, sondern ganz real sein. Bis dahin liefert der ZDF-Film „Operation Naked“ einen eindrucksvollen Vorgeschmack.

Startseite