Sopran-Star Núria Rial im münsterschen Sinfoniekonzert
Freude mit gefiederten Freunden
Münster
Vogelstimmen haben die Komponisten schon immer interessiert. Gern ließen sie Holzblasinstrumente oder hohe Singstimmen trillern. Und holten schließlich per Tonband echte Vogelklänge ins Orchester.
Golo Berg wollte sie unbedingt für das Solo in Gustav Mahlers Vierter haben: die spanische Sopranistin Núria Rial, bislang vor allem in Barockpartien gerühmt. Dem Mahler-Plan hat die Pandemie vorerst einen Riegel vorgeschoben, doch das Konzert mit Rial fand jetzt statt: ein Vogelkonzert.
Berg und Rial haben für den Mittelteil ihres Programms nämlich allerlei barockes Vogelgezwitscher ausfindig gemacht. Und wenig überraschend: Die Nachtigall war besonders prominent vertreten. In einer Vivaldi-Arie lieferte sie sich als zierliche Sopranstimme schöne Dialoge mit der Solovioline, bei Andrea Stefano Fiorè nahm sie es mit der Blockflöte (Sebastian Schmidt) auf. Insgesamt fünf Arien mit hohem Anspruch für brillanten Gesang waren das, und schon mit den ersten Tönen erwies sich Núria Rial als Idealbesetzung: Verfügt sie doch über einen wunderbar gerundeten lyrischen Sopran, den sie mit fein dosiertem Vibrato und vor allem mit eleganter Geläufigkeit führt: So schön möchte mancher Vogel trillern. Mahlers „himmlische Freuden“ wären bei ihr mit Sicherheit gut aufgehoben.
Rund um dieses Vogelkonzert hatte Golo Berg zwei passende Orchesterwerke gruppiert. Zu Beginn recht naheliegend Ottorino Respighis „Gli Uccelli“, handelt es sich bei diesem Kammerorchester-Federvieh doch auch um – bearbeitete – Barockmusik. Für Henne, Kuckuck und all die anderen brachten die Mitglieder des Sinfonieorchesters Münster kecke Virtuosität auf – aber den Höhepunkt bildete wiederum der Nachtigallen-Satz: Aus dem nächtlichen Gemurmel mit darüber singenden Flöten, Fagotten und Horn entstand ein Waldweben, wie es nicht mal Richard Wagner stimmungsvoller hinbekommen hat. Golo Berg ließ seinen Musikern hier alle Zeit, und das Orchester nutzte sie.
Respighi hat ja in seinem berühmten Orchester-Kracher „Pini di Roma“ eine echte Nachtigallenstimme zum orchestralen Geschehen gefügt. Daran knüpfte der Finne Einojuhani Rautavaara mit seinem „Cantus Arcticus“ und einer ganzen Vogelschar an, die sich zum Orchester gesellt. Eine hörenswerte Begegnung, die im Ersten Satz ein bisschen klingt, als hätte sich Ravel aus der Antike von „Daphnis und Chloé“ in die nordischen Moore begeben. Und wenn auf die Melancholie des Mittelsatzes beim Schwanen-Finale Horn und Trompete einsetzen, lugt erwartungsgemäß Altvater Sibelius um die Ecke. Herrliche Orchesterklänge – und eine ebensolche Huldigung an die gefiederten Freunde.
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