„Wider Napoleon“: Spannende Ausstellung im Schloss Cappenberg
Geliebter und gehasster Imperator
Selm-Cappenberg
Genau vor 200 Jahren zog eine seltsame Prozession durch jene Region, die südlich an das Münsterland grenzt. Die „Quadriga“, jenes Gespann vom Brandenburger Tor, das Napoleon als Zeichen der Demütigung des von ihm bei Jena und Auerstedt besiegten Preußens nach Paris verbracht hatte, wurde 1814 nach Ende der Befreiungskriege wie im Triumphzug von den Preußen wieder nach Berlin transportiert und auf ihrem Weg in Unna, Kamen, Hamm und Soest enthusiastisch begrüßt. In der Ausstellung „Wider Napoleon“, die heute im Schloss Cappenberg eröffnet wird, bildet eine Kunststoff-Nachbildung der Quadriga schon im Entree den passenden Blickfang. Die riesengroßen Gäule sind übrigens Teil der Bühnenausstattung des Weltrekord-Auftritts von Witzeerzähler Mario Barth im Berliner Olympiastadion.
Die größten Exponate sind damit schon genannt. Es gibt freilich auch ganz kleine Stückchen aus Papier zu sehen, bei deren Anblick den Besucher gewissermaßen der Atem der Geschichte anweht. In einem Schreiben aus jener Umbruchzeit bittet Preußenkönigin Luise den preußischen Reformer, den Freiherrn vom Stein, um „Geduld“ mit ihrem königlichen Ehemann, der in politischen Fragen eher als Zauderer galt. Ein anderes kleines Briefchen aus dem Jahre 1812 ist mit „Alexander“ unterzeichnet. Der russische Zar bittet den Freiherrn vom Stein, der 1808 aus dem preußischen Staatsdienst ausgeschieden ist und später das Schloss Cappenberg als seinen Alterssitz wählen wird, in russische Staatsdienste zu treten. Der Reformer nimmt das Angebot an.
Zwischen diesen Blickfängen und Briefdokumenten entfaltet Ausstellungskurator Dr. Georg Eggenstein, der die Schau nach einer ersten Station in Lüdenscheid nun ebenso kenntnisreich wie fantasievoll für Cappenberg aufbereitet hat, jene rätselhafte Zeit zwischen Revolution und Restauration, Frankreich und Preußen, Aufbruch und Rückschritt. Wobei sich die Exponate, wie Eggenstein es richtig formuliert, in den großen Räumen des Schlosses „gegenseitig zum Sprechen bringen sollen“.
Natürlich bezieht sich die Schau, die zahlreiche Exponate vor allem aus dem Kreis Unna präsentiert, gezielt auch auf das 1806 neu gegründete Großherzogtum Berg, zu dem große Teile des heutigen westlichen Nordrhein-Westfalens gehörten. Dieses Großherzogtum galt als moderner Modellstaat nach französischem Vorbild.
Die Ausstellung bringt prägnant das Janusgesicht und die emotionale Zerrissenheit jener Zeit zum Klingen: In einem Raum begegnet Napoleon dem Besucher wie ein römischer Augustus und als Galionsfigur eines ganz neuen Mode-Stils, den wir bis heute als „Empire“ bezeichnen. Auf der anderen Seite gilt der Herrscher seinen neuen Untertanen im Großherzogtum Berg als Reformer und Erneuerer. Denn seine Gesetze stehen für die Ideen der Französischen Revolution und versprechen Freiheit und Gleichheit sowie die Trennung von Staat und Kirche.
Auf der anderen Seite tritt man dem ungehemmten Usurpator Napoleon gegenüber, dessen Kriegsgräuel etwa in Spanien nicht nur in Schock-Radierungen von Francisco de Goya aufscheinen, sondern auch durch einen Koffer mit Amputationsbesteck und Knochensäge Gestalt gewinnen. Die bereits hoch technisierte Kriegsmaschinerie forderte Verletzte, Verstümmelte und Tausende Tote.
Rekonstruierte Uniformen, immer wieder neu zusammengestückelt, bringen Farbe in die Ausstellung, ebenso wirtschaftliche Produkte und Verwaltungsvorschriften aus jener Zeit. Auf Porträtbildern kommen uns handelnde Personen des Großherzogtums Berg entgegen, die zunächst Napoleon anhingen und später wieder auf die Preußenseite wechselten. Eine wahrlich verrückte Zeit. Und sie liegt gerade einmal 200 Jahre zurück.
Zum Thema
„Wider Napoleon“. Ausstellung im Schloss Cappenberg, bis 21. September, Di bis So 10 bis 17.30 Uhr, reich bebilderter Katalog für 25 Euro.
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