Matthias Foremny dirigiert „Carmen“ in Leipzig
Kein buntes Opern-Spanien
Leipzig
„Ich bin überzeugt, dass „Carmen“ nach zehn Jahren die populärste Oper der ganzen Welt sein wird.“ Wie recht behalten sollte Peter Tschaikowsky mit seiner 1880 geäußerten Meinung. In der Tat hat der Mythos der von ungebändigter Lebenslust erfüllten Zigeunerin Carmen in George Bizets gleichnamiger Oper, deren Libretto auf einer Novelle Prosper Mérimés basiert, von jeher das Publikum in den Bann gezogen. So geschah es auch in der jüngsten Produktion an der Oper Leipzig. Renommierte Künstler wie der aus Münster stammende Erste ständige Gastdirigent des Hauses Matthias Foremny und die australische Regisseurin Lindy Hume hatten bei der Einstudierung des Werkes die Zügel in der Hand.
Im Kontrast zu etlichen aufopferungsvollen Frauengestalten im Musiktheater des 19. Jahrhunderts ist Bizets Opernheldin im Libretto von Henri Meilhac und Ludovic Halévy von einer starken Eigenständigkeit geprägt, abhold jeglicher gesellschaftlicher Konventionen. Dieses Figurenbild hat Hume in ihrer Inszenierung weiterverfolgt, die Titelgestalt jedoch nicht als „männermordenden Vamp“ , als Femme fatale angelegt, die mit ihrem Charisma jeden ihr begegnenden Mann ins Unglück stürzt. Vielmehr hat sie die Figur als verletzliche, gleichwohl selbstbestimmte Frau gezeichnet, die von uneingeschränkten freiheitlichen Gefühlsregungen erfüllt ist. Unterstützt wird die Regisseurin von dem Bühnen- und Kostümbildner Dan Potra, der zwei gegeneinander verschiebbare hohe Wände auf die Bühne stellt, die facettenreiche Spielräume ermöglichen, zuletzt jedoch kein Entrinnen mehr aus der unheilvollen Situation gestatten. Kein buntes Opern-Spanien hat die Kostümgestaltung im Sinn. Womit Lindy Hume ihre Interpretation nicht auf einen bestimmten Handlungsort und eine bestimmte Zeit eingeschränkt sehen will.
Vortrefflich gelang es der Oper Leipzig, die Hauptpartien des Werkes mit exzellenten Sängerdarstellern zu besetzen, die Humes Regiekonzeption berührendes Bühnenleben einzuhauchen vermochten. Überzeugend in ihrer bedingungslosen Freiheitsliebe, dabei auch Gefahren nicht scheuend, beeindruckend im Zusammenspiel von Naturkraft und Sensibilität, so verkörperte Wallis Giunta eine Carmen, die ihre Lebensbahn kompromisslos bis zum bitteren Ende zu gehen bereit ist. Mit den Stimmfarben ihres flexiblen Mezzosoprans gab sie der vielfältigen Empfindungswelt der Titelfigur beredten Ausdruck. Überzeugend verdeutlicht die Inszenierung die durch ihre Lebensumstände so unterschiedlich geprägten Protagonisten – einerseits die Außenseiterin Carmen, andererseits den seiner Mutter und dem ihn liebenden Bauernmädchen Micaela verbundenen Don José, der pflichtbewusst seine Aufgaben als Sergeant erfüllt. Bis er in den Bannkreis schicksalhafter Leidenschaft für Carmen gerät und so aus seiner Bahn geschleudert wird. Der italienische Tenor Leonardo Caimi verlieh seinem Don José gesanglich wie auch darstellerisch ein überzeugendes Rollenporträt. Als zur Titelfigur denkbar konträr angelegt zeigte sich die Gestalt der Micaela. Verkörpert von der hervorragenden ukrainischen Sopranistin Olena Tokar erlebte man den Wandel dieses anfangs verschüchtert wirkenden Mädchens dann im 3. Akt zur beherzten Streiterin für den geliebten Don José. Einen in Stimme und Spiel imposanten Escamillo gestaltete der ausgezeichnete albanische Bariton Gezim Myshketa.
So engagiert die Sängerdarsteller durch das Stück führten, so markante Akzente setzten auch der von Thomas Eitler-de Lint vorbereitete Chor sowie der von Sophie Bauer einstudierte Kinderchor der Leipziger Oper. Gewichtigen Anteil am Gelingen des Abends hatte gleichfalls das von Matthias Foremny geleitete Gewandhausorchester. Wie da der Dirigent einen stimmigen Dialog zwischen den Sängern und den Instrumentalisten erreichte, zählt zweifellos zu den Stärken der Produktion. Und wie die auf die einzelnen Akte einstimmenden Orchestervorspiele von Foremny ausgeleuchtet wurden, nahm sogleich gefangen. Die dramatisch zupackenden wie auch die lyrischen Passagen der Partitur, ebenso die das spanische Lokalkolorit charakterisierenden Partien wurden eindringlich gestaltet. Diese „Carmen“ setzt einen interessanten Farbtupfen im gegenwärtigen Spielplan der Leipziger Oper.
Nächste Aufführungen: 2., 23.2., 23.3. 2019
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