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„Seneca”

Der Einflüsterer des Tyrannen

John Malkovich ist nur noch selten im Kino zu erleben, der deutsche Hollywood-Export Robert Schwentke besetzte ihn nun endlich mal wieder in einer großen Kinorolle: Als römischer Philosoph und Dramatiker Seneca redet er sich um Kopf und Kragen, als sein Schützling Kaiser Nero ihn für einen Verschwörer hält. Das in Marokko gedrehte, gezielt anachronistisch vorgehende Moraldrama ist eine tolle Malkovich-Schau, aber insgesamt zu verschwafelt geraten.

Von Gian-Philip Andreas

Seneca (John Malkovich ) redet auf seinen Schüler Nero (Tom Xander) ein. Foto: Weltkino/dpa

John Malkovich, machen wir uns nichts vor, hat seine besten Rollen vor 2010 gespielt, seither taucht er vor allem als generischer Schurke in B-Filmen auf. Umso schöner also, dass er nun mal wieder in einem größeren Kinofilm zu erleben ist. „Seneca“ erzählt aus den letzten Jahren des gleichnamigen römischen Philosophen, diesem im Luxus lebenden Großrhetorikers des Stoizismus. Der deutsche Hollywood-Export Robert Schwentke kennt Malkovich vom gemeinsamen Actionfilmprojekt „RED“ und lässt ihn hier zwei Stunden lang reden: Wer den Film im Original anschaut, erliegt dem Malkovich-Sound sofort, diesem säuselnden Bariton, der den 69-Jährigen mit der Zahnlücke einst zur Kultfigur machte.

Tatsächlich besteht der von Schwentke betont bühnenhaft in die Lehmarchitekturen von Marokko hin­eininszenierte Film fast ausschließlich aus Szenen mit dem schwadronierenden Seneca, der seinem Schützling Nero – der später berüchtigte Kaiser ist noch ein Teenager – das richtige Leben einzuflüstern sucht, nur um am Ende dessen Rachsucht zum Opfer zu fallen: Nero (Tom Xander) befiehlt dem vermeintlichen Verschwörer schließlich

, sich selbst umzubringen.

Dass der Kaiser hier konsequent „Präsident“ genannt wird, dass stylishe Sonnenbrillen getragen und Errungenschaften moderner Zivilisationen kaum versteckt werden, verrät recht schnell, wohin hier der Hase läuft: Schwentke hat in seiner oft grellen Inszenierung (neben Geraldine Chaplin laufen auch ein paar deutsche Schauspieler durchs Bild – darunter Lilith Stangenberg als Senecas Gattin) eine Parabel auf heutige Macht und moderne Moral im Sinn, auch aufs heuchlerische intellektuelle Influencertum im Dienste trumpscher Tyrannei. Oft wirkt das überdeutlich, und am Ende ist das für ein vermeintliches Seneca-Porträt einfach viel zu verquatscht.

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