Im Dämmer der Wahrnehmung
„Die Frau im Nebel“: Kunstvoller Film-Noir von Park Chan-Wook
Park Chan-Wook lässt in seinem neuen, in Cannes prämierten Werk einen schlaflosen Polizisten aus der Großstadt Busan einer schönen Altenpflegerin verfallen, die verdächtigt wird, ihren Mann von einem Berg gestoßen zu haben. So rätselhaft und mysteriös wie diese Frau ist der ganze Film: ein faszinierender Krimi-Traum.
Kommissar Hae-Joon (Park Hae-Il aus „The Host“) ermittelt in einem mysteriösen Todesfall: Ein erfahrener Bergsteiger liegt tot am Hang. Ein Unfall? Suizid? Oder steckt seine junge Frau Seo-Rae (Tang Wei aus „Gefahr und Verführung“) dahinter, die einst aus China nach Südkorea kam? Die schöne Altenpflegerin aber kann ein Alibi vorlegen und einen angeblichen Abschiedsbrief des Toten. Beides wirkt schon bald verdächtig. Schnell verfällt Hae-Joon der Femme fatale, doch zu einer echten Affäre kann er, der jedes Wochenende aus der Großstadt Busan in die Provinz zurückfährt zu seiner nüchternen Ehefrau, sich nicht hinreißen lassen. Noch nicht.
Regisseur Park Chan-Wook, so etwas wie ein Pionier der südkoreanischen Film- und Serien-Erfolgsstory seit der Jahrtausendwende (die im Oscar für „Parasite“ kulminierte), hat sich von den Sex- und Gewaltexzessen seines Frühwerks („Old Boy“) längst verabschiedet und sich dem elegant-undurchsichtigen Krimi-Melodram zugewandt, zuletzt in seinem multiperspektivischen Meisterstück „Die Taschendiebin“. „Die Frau im Nebel“ präsentiert sich nun als mehrfach verschachtelte Film-Noir-Hommage mit deutlichen Anklängen an Alfred Hitchcocks „Vertigo“.
Die mehrfachen An- und Abstoßungsbewegungen zwischen Polizist Hae-Joon und der verdächtigen Seo-Rae spiegeln sich im Plot und in der Inszenierung, die die Grenzen zwischen Fakt und Vorstellung regelmäßig verwischt, unzuverlässige Rückblenden einflicht und kunstvoll mit den Distanzen (in Raum und Zeit) spielt. Die Beziehung der beiden, oft genug angesiedelt an diffusen Nichtorten an der südkoreanischen Küste und im Dämmer der Wahrnehmung des an Schlaflosigkeit leidenden Cops, kann nur tragisch enden. Park Chan-Wook bekam vergangenes Jahr in Cannes dafür den Regiepreis. Sehenswert.
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