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„In den besten Händen“: Beziehungskrampf und Klassenkampf

Ein elender Ellenbogenbruch

Der Ellenbogenbruch einer Comiczeichnerin führt sie und ihre Verleger-Freundin in die Notaufnahme einer Pariser Klink, die mit Verletzten einer Demo überfüllt ist. So realistisches wie komisches und kritisches Alltagsdrama um Beziehungskrampf und Missstände in der Klinik.

Von Hans Gerhold

Raphaelle Foto: Alamode

Die französische Regisseurin Catherine Corsini („Die neue Eva“, „Die Affäre“, „La belle saison – Eine Sommerliebe“) gehört zu den Filmautorinnen wie Céline Sciamma, Zabou Breitman, Nicole Garcia und Agnès Jaoui, die bei allen Unterschieden im Stil kritisches Kino mit komischem Kick inszenieren. In ihrer neuen Beschreibung realistischer Alltagsdramen krachen Klassenkampf und Beziehungskrampf, Gesellschaftskritik und Missstände in der Notaufnahme aufeinander.

So fängt „In den besten Händen“ (OT: Der Ellenbogenbruch) mit dem turbulenten Streit eines Paares an. Comiczeichnerin Raphaelle (Valeria Bruni-Tedeschi) und Verlegerin Julie (Marina ­Fois) hauen sich persönlich und per SMS („gefühllose Schlampe!“) Kopfkissen und Frust um die Ohren, dass es kracht. Die Wut-Tanten streiten sich öffentlich, als Julie stürzt und mit Ellenbogenbruch in einer Notaufnahme im Chaos landet.

Keine freien Betten, fehlende Medikante, überfordertes Personal, Überstunden und eine draußen tobende Gelbwesten-Demo, deren Verletzte die Klinik fluten, erzeugen permanenten Hochdruck. Zu Raphaelle wird Lkw-Fahrer Yann (Pio Marmai) verlegt, der den Zorn auf höhere Klassen auf „die bourgeoise Oma“ ablässt und hysterische Attacken erntet. Krankenschwester Kim (Aissatou Diallo Sagna) versucht sich trotz sechster Nachtschicht in Folge als ruhender Pol.

So entsteht ein explosives Gemisch von unhaltbaren Zuständen (ein Hund im Krankenhaus), Gefühlsausbrüchen und gestohlenen Küssen mit der herbeigeeilten Julie. In den Hauptrollen fabelhaft gespielt, temporeich inszeniert, mit krassen Demo-Bildern, und im Doppelfinale fasziniert das Morgengrauen in Paris mit einem Paar und einer Frau mit Tränen in den Augen. Corsini wurde soeben mit dem Friedenspreis des Deutschen Films – Die Brücke ausgezeichnet. Sehenswert.

         

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