„Der perfekte Chef”
Kapitalist vorm Nervenzusammenbruch
Oscarpreisträger Javier Bardem in einer neuen Paraderolle: Als übergriffiger Firmenpatriarch versucht er seine Belegschaft auf Kurs zu bringen, um einen renommierten Wirtschaftspreis einzuheimsen. In Spanien war diese amüsante Kapitalismussatire gleich zwanzigfach für den wichtigsten Filmpreis „Goya” nominiert.
Julio Blanco ist Spezialist im Gleichgewichtsgewerbe, doch die Deko-Waage vor seinem Firmengelände ist aus der Balance geraten. Kein gutes Omen, dabei ist der Mann doch von Vorfreude ergriffen: Der Geschäftsführer einer Firma für Industriewaagen ist Finalist in einem Wettbewerb für exzellentes Wirtschaften, der Besuch eines Komitees der Regionalregierung steht an. Eindringlich feuert er die Belegschaft an, alles für den „Sieg“ zu tun – auch wenn er die Trophäe natürlich nur für sich behalten möchte.
Eine herrliche Paraderolle ist dieser Blanco für den spanischen Verwandlungskünstler Javier Bardem. Der Ex-Bond-Schurke („Skyfall“) und grotesk frisierte Killer aus „No Country For Old Men“ gibt hier, mit gescheiteltem Silberhaar, einen bieder auftretenden Manager von regionaler Bedeutung, der sich als gütiger Firmenpatriarch inszeniert, aber als übergriffiger Kümmerer betätigt. Mal wird der Sohn eines Mitarbeiters aus der juristischen Bredouille geholt, mal ungefragt die Ehe eines Abteilungsleiters behelfsmäßig zu reparieren versucht. Alles, na klar, nur fürs strahlende Image seiner Waagenfirma – die derzeit an jeder Ecke aus dem Lot zu geraten scheint. Was tun mit dem geschassten Buchhalter, der mit einem Megafon vor dem Firmentor campiert? Was wagt es der Typ überhaupt, sich dem freundlichen Autoritarismus seines Ex-Chefs entgegenzustellen?
Regisseur Fernando Léon de Aranoa („A Perfect Day“), der mit Bardem vor 20 Jahren bereits das Drama „Montags in der Sonne“ über arbeitslose Werftarbeiter drehte, inszeniert sich langsam aus den gut geölten Witzroutinen der Büro-Komödie in überraschend gallige Satire-Gefilde empor. Nach und nach erst entblättern sich die beängstigenden Seiten des sich so gütig-väterlich gebenden Vorzeigekapitalisten Blanco, der mit Mitte 50 noch höchst selbstverständlich den Praktikantinnen hinterhersteigt, auch wenn er bei Neuzugang Liliana (Almudena Amor aus „La Abuela“) an die Falsche gerät.
Je gezwungener Blancos Freundlichkeit erscheint, desto getriebener werden seine Methoden – und desto schwärzer fällt auch der Humor aus in dieser unterhaltsamen und virtuos gespielten Business-Farce, bei der die Systemkritik erfreulich belehrungsfrei, aber umso nachdrücklicher durch die Hintertür einsteigt.
Startseite