Kultur Nachrichten
Muntere Sprachbastler im Netz
Münster - Je näher man der „Waterkant“ kommt, desto mehr scheinen sich Blogger auch schon mal auf Plattdeutsch zu verständigen. Wobei das Niederdeutsche im Internet häufig nur noch aus Restbeständen, Versatzstücken und Imitationen besteht, wie die Paderborner Sprachwissenschaftlerin Prof. Dr. Doris Tophinke beim Auftakt-Vortrag der Reihe über Regionalsprachen im 21. Jahrhundert im Medienhaus Aschendorff verdeutlichte. Dass sich „Dialekte zwischen Schwund, Wandel und Recycling“ bewegen, zeigt sich gerade im Netz. Die Bestandsaufnahme der Referentin reichte von eher informativ-passiven Plattdeutsch-Portalen wie „plattnet.de“ oder „de-plattsnackers.de“ bis hin zur neuen „Web 2.0“-Generation“, die eifrig miteinander kommuniziert.
Im Grunde, so eine Quintessenz des Vortrags, vermittelt das Internet genau jenes Bild, das sich auch sonst hinsichtlich der niederdeutschen Sprache zeigt. Das Niederdeutsche ist in der älteren Generation noch vergleichsweise präsent, die jüngere kennt allenfalls noch Versatzstücke und versucht, sie im Netz mündlich wie schriftlich zu nutzen - mit unterschiedlichem Erfolg, wie exemplarische Blogger-Einträge zeigten. Dass in der Blogger-Umgebung überhaupt plattdeutsche Texte oder Versatzstücke auftauchen, findet Doris Tophinke „durchaus erstaunlich“. Warum die Blogger diese niederdeutschen Versatzstücke nutzen, darüber kann auch die Paderborner Sprachwissenschaftlerin nur Vermutungen anstellen. Wollen sie sich vielleicht lokal oder regional verorten, wenn sie ihre Geschichten „utn Dörp“ erzählen? Suchen sie Gleichgesinnte? Wollen sie nostalgische Erinnerungen an Spracherlebnisse aus der Kindheit pflegen oder die Sprache neu entdecken?
Für Mundartfreunde, Wissenschaftler und Fans des Niederdeutschen gibt es immerhin eine gute, wenn auch nicht gänzlich beruhigende Nachricht. Man wird beim Suchen nach dem Plattdeutschen im Internet hunderttausendfach fündig. Und gerade auf der Video-Plattform „youtube“ kann man Chöre plattdeutsch singen hören, und es gibt sogar Leute, die Spielfilme wie „Star Wars“ oder „Herr der Ringe“ plattdeutsch synchronisieren. Im Gegensatz zu eher biederen Plattdeutsch-Plattformen mit Liedtexten, Gedichten und Vertellsels ist die „Web 2.0“-Generation aber eher nicht an der korrekten Tradierung der überkommenen Sprache interessiert. Das Niederdeutsche wird eher zum Bastel-Gegenstand der Sprachtüftler. Die Sprache wird beliebig verändert. Wenn eine Ruhrpott-Bloggerin ihre Gemeinde mit der Aufforderung „Koch Dich ma wat extra Leckeret“ anspricht, dann zeigt sich, dass das Internet gerade auch ein unorthodoxer Raum für Sprachmischungen und Sprachexperimente ist.
» René Schiering aus Münster hält am 4. Mai (Dienstag) um 18.30 Uhr im Medienhaus Aschendorff den nächsten Vortrag. Thema: „Vom ,Hochdeutsch auf Klompen zum Ruhrdeutschen - Die Entstehung neuer Sprachformen im norddeutschen Dialektschwundgebiet.“
Startseite