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Vom „Adieu“ über das „Tschüs“ zum „Hi“

unserem Redaktionsmitglied Johannes Loy

Münster - Wir sagen heute mit leichter Zunge „Tschüs“. Aber es ist uns nicht klar, dass dieses „Tschüs“ eine lange Geschichte mit allerlei sprachtechnischer Verwandlung hinter sich hat. Denn im Tschüs steckt letztlich das französische Adieu. Dr. Markus Denkler, Geschäftsführer der Kommission für Mundart und Namenforschung des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe, zeigte am Dienstagabend in seinem Vortrag über „Westfälische Abschiedsgrüße im Wandel“, dass auch auf diesem Sprachfeld nichts so bleibt, wie es war.

Bis zum Ersten Weltkrieg war im Münsterland die Abschiedsformel „Adjüs“ gebräuchlich. Die exakte Herkunft bleibt im Dunkeln. Denkler lieferte einen Hinweis auf das wallonische „Adjüs“, das wieder vom spanischen Adios oder französischen Adieu beeinflusst worden sein könnte. „Mit und nach dem Ersten Weltkrieg galt es allerdings als verpönt, ausländisch klingende Abschiedsformeln zu gebrauchen“, erläuterte Denkler im letzten Vortrag der Reihe über „Dialekte zwischen Schwund, Wandel und Recycling“ im Medienhaus Aschendorff. Also kam allmählich das „Auf Wiedersehen“ in Mode. Und aus Adieu, Adjüs, Djüs und Tjüs wurde irgendwann Tschüs.

Was sich freilich über die folgenden Jahrzehnte hielt, waren die typisch plattdeutschen Formeln, von denen Denkler eine ganze Reihe aufzählte. Wer heute noch „Guett gaohn“ sagt, der will damit nicht nur unterstreichen, dass er das Plattdeutsche - zumindest in Ansätzen - kennt. Auf mancherlei Ortstafeln aus Eichenholz zwischen Albersloh und Höxter findet sich dieser plattdeutsche Abschiedsgruß auch als Signal dafür, dass es hier volkstümlich, ländlich-sittlich und urwestfälisch zugeht, auch wenn das Plattdeutsche als Alltagssprache längst versickert ist. So entwickele sich die Abschiedsformel auch zu einem „Ornament“, so Denkler, das über eine bestimmte Lebensart Auskunft gebe.

Diejenigen, die Plattdeutsch sprechen, bedienen sich natürlich nach wie vor einer großen Abschiedsgrußpalette. Sie reicht von „Bis en anner­ ­Maol“­ über „Hold di munter“ (beliebt im Emsland) bis hin zum „Mak et guett“ (Wald­ecker Region). Und mittlerweile haben sich daraus nach Auskunft von Markus Denkler auch hochdeutsche Varianten entwickelt: „Gut geh´n!“ oder „Munter bleiben!“ sind Beispiele dafür. Für die Germanisten und Sprachexperten bleibt ein großes Terrain zur Erforschung offen; denn wenn junge Handy-Nutzer heute „Hi“ oder „Hdl“ („Hab´ Dich lieb“) schreiben, entstehen schon allein durch technische Zwänge neue Kurzformeln. Oder man lässt sich von ausländischen Begrüßungsformen inspirieren und intoniert zwischen Pizza und Speiseeis ein flottes „Ciao“. Zwischen Schweiz, Schwaben und Westfalen findet in Zeiten der großen Mobilität auch eine Vermischung statt. So hat man schon Westfalen „Grüezi“ sagen hören, Schwaben „Adele“ und den Schweizer „Tschüsli“. Der Mensch ist halt erfinderisch.

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