Hagen Rether in Münster:
„Wählen ist wie Zähneputzen“
Münster
Die obligatorische Reinigung des Flügels, stets fester Bestandteil seines Programms, hat Hagen Rether im ausverkauften Congress-Saal in die zweite Hälfte des mehr als dreistündigen Auftritts verlegt. Zum Einsatz kommt das Klavier im Gegensatz zu früher übrigens kaum noch. Etwas selbstversunken sitzt Rether auf seinem Drehstuhl, gibt sich nachdenklich, spricht – halb zum Publikum, halb zu sich – über politische, gesellschaftliche und individuelle Befindlichkeiten. Und fragt ein ums andere Mal: „Warum nur tun wir das?“.
Die besondere Wirkung beim Zuhörer erzielt der Kabarettist durch den scheinbaren Widerspruch von harmlosem Redegestus und radikal hinterfragten Inhalten. Empörung, Wut und Zorn sind für ihn Haltungen von vorgestern, wichtig seien allein Veränderungen der Einstellung und des persönlichen Verhaltens. So fordert der Vegetarier mit fast missionarischem Eifer den umfassenden Verzicht auf den Fleischkonsum, indem er die mit der Herstellung verbundenen Sünden an Tier und Umwelt detailliert vor Augen führt. „Man kann nicht ein Leben lang Fleisch essen“, lautet sein Credo.
Rether geht es nicht um Pointen und Gags. Er betreibt geradliniges politisches Kabarett, indem er schonungslos gesellschaftliche oder bevorzugt klerikale Missstände benennt und offenlegt. Damit gewinnt er moralische Integrität, ohne moralisierend zu werden.
Mehr für seine ethischen Glaubenssätze als für ironisch-satirische Einsprengsel erhält er offenen Beifall. Manchmal gelingt es ihm, beides zu vereinen, etwa wenn er bekennt, immer schon die Grünen gewählt zu haben. Das sei zwar auch nicht immer das Wahre, aber: „Wählen ist wie Zähneputzen. Wenn ich es lasse, wird es irgendwann mal braun.“
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