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Völkermord an Hereros und Namas

Der steinige Weg der Aussöhnung

Vertreter der namibischen Volksgruppen der Herero und Nama haben ge­gen Deutschland eine Klage eingereicht, um Entschädigungszahlungen für die An­­fang des 20. Jahrhunderts erlittenen Verbrechen zu erstreiten. Der Münsteraner Ruprecht Polenz verhandelt mit der namibischen Regierung über die richtige Form der Vergangenheitsbewältigung.

Elmar Ries

Rund 90 000 Hereros und Nama starben während der deutschen Kolonialherrschaft in Südwestafrika. Foto: Universitätsbibliothek Frankfurt

Münster„Sondergesandter“ steht schlicht auf seiner Visitenkarte. Oben links prangt der Bundesadler, daneben der Schriftzug „Auswärtiges Amt“. Eigentlich ist Ruprecht Polenz seit 2013 im Ruhestand. Gänzlich von der Politik lassen kann er aber nicht – und sie nicht von ihm. Als das Auswärtige Amt 2015 fragte, ob er „Sondergesandter für die deutsch-namibische Vergangenheitsbewältigung“ werden wolle, war die Antwort klar. Der CDU-Politiker sagte Ja. Ob er da schon ahnte, dass die Aufgabe keine leichte sein würde?

Anfang dieses Jahres haben Vertreter der namibischen Volksgruppen der Herero und Nama in New York ge­gen Deutschland eine Klage eingereicht, um Entschädigungszahlungen für die An­­fang des 20. Jahrhunderts erlittenen Verbrechen zu erstreiten. Während der deutschen Kolonialherrschaft in Südwestafrika wurden zwischen 1904 und 1908 schätzungsweise 90 000 Afrikaner getötet oder starben in Konzentrationslagern.

Vergangenen Sommer gestand die Bundesregierung ein: Das, was damals in Namibia geschah, war Völkermord. Ein Rechtsanspruch auf Entschädigung leitet sich daraus aus deutscher Sicht nicht ab. Folgenlos soll die Anerkennung des Genozids jedoch nicht bleiben. Hier kommt Ruprecht Polenz ins Spiel. Gemeinsam mit namibischen Diplomaten bereitet er eine Erklärung vor, in der die Rolle Kolonialdeutschlands benannt wird. Zudem wollen beide Seiten diskutieren, welche deutschen Entwicklungsprojekte in Namibia sinnvoll sein könnten. „Bis Ostern sollen Ergebnisse vorliegen“, sagt der frühere Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses. Über ein Jahrhundert nach dem Genozid könnte es dann zu einer Entschuldigung kommen.

Ruprecht Polenz Foto: Wilfried Gerharz

Könnte, Konjunktiv. Denn Vertreter von Opferverbänden haben den Abbruch der Gespräche gefordert. Sie seien illegitim, weil die Führer der Herero und Nama nicht beteiligt worden seien, argumentieren sie. Polenz, der mit Herero- sowie Nama-Repräsentanten gesprochen hat, sieht das anders. „Wir wollen gemeinsame Projekte in Namibia auflegen, die die erkennbaren Wunden in den damals betroffenen Communities heilen helfen“, sagt er. „Das geht nur in Verhandlungen mit der Regierung.“

Die Sammelklage der Herero- und Nama-Führer Vekuii Rukoro und David Frederick hat die Bundesregierung nicht wirklich über rascht. Vertreter beider Gruppen haben dies schon zweimal versucht, „sie fanden aber kein Gericht, das ihre Klage annahm“. Polenz sagt, er sei sich sicher, dass „es auch diesmal kein Verfahren geben wird“. Es fehle die Rechtsgrundlage. So bizarr das klingt: 1904 gab es den Tatbestand des Völkermords noch nicht. Er entstand erst 1948 mit der Völkerrechtskonvention. „Was natürlich nicht bedeutet, dass die Massaker nicht als Völkermord einzuordnen sind“, sagt der 70-Jährige.

Ungeachtet aller Fallstricke will sich die Bundesregierung nachhaltig im Land engagieren. Polenz schlägt die Schaffung eines Zukunftsfonds vor, der Austauschprogramme ermöglichen und Projekte zur Erinnerungskultur finanzieren könnte. Parallel dazu sollen Entwicklungs- und Infrastruktur-Vorhaben aufgelegt werden.

Erinnern, Schuld anerkennen und Wiedergutmachung leisten: Nun ist es nicht so, dass hier bislang nichts passiert ist. Seit 1990 hat die Bundesrepublik an Namibia fast ei­ne Milliarde Eu­ro Entwicklungshilfe ge­zahlt. „Das ist die höchste Summe in der Sub-Sahara“, sagt Polenz. Und sei durchaus er wähnenswert.

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