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Ohne neue Regierung arbeitet Bundestag auf Sparflamme

Viele Bundestagsabgeordnete nutzen den Ausnahmezustand

Münster

Die Bundestagswahl ist über zwei Monate her. Trotzdem sind reguläre Prozesse im Bundestag nicht in Sicht. Und was machen die Abgeordneten? Eine kleine Umfrage in der Region zeigt: Der Bundestag mag auf Sparflamme laufen, die Abgeordneten tun es nicht.

Claudia Kramer-Santel

Volle Terminkalender: Anja Karliczek (links oben), Sybille Benning, Maria Klein-Schmeink, Bernhard Daldrup (rechts oben), Ursula Schulte, Karlheinz Busen. Foto: dpa

Viele sind auf dem Weg von Berlin oder nach Berlin, wirken hektisch. „Wir denken hier nur von Woche zu Woche“, sagt Grünen-Abgeordnete Maria Klein-Schmeink aus Münster. Nicht nur sie sieht in der Situation auch Chancen. Keine klaren Mehrheiten und Abläufe im Parlament: Der politische Alltag ist schwieriger geworden.

Das spürt derzeit Anja Karliczek aus Tecklenburg, erst seit Januar Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Ihr Job: das Alltagsgeschäft managen. Sitzungen des Ältestenrats vorbereiten, Tagesordnungen, Präsenz und Abstimmungen im Plenum organisieren. Eigentlich Routine. Das Problem: Den normalen Alltag gibt es im Moment nicht. Vieles ist im Fluss. „Das ist ganz klar ein höherer Arbeitsaufwand, aber es ist auch sehr spannend“, erklärt sie.

Sie muss für jeden Tagesordnungspunkt die Fraktionen genau abfragen, um Mehrheiten zu organisieren. Die exakte Vorarbeit ist wegen der unklaren Verhältnisse bedeutender denn je. Unerlässlich ist auch die Pflege parteiübergreifender Kontakte.

Chancen für Gesetze abseits eingetretener Pfade: Gerade kleinere Parteien in der Opposition wollen derzeit mit fluiden Mehrheiten etwas durchsetzen – über die sonst oft unüberbrückbaren Gräben von Fraktionen und Regierungslinien hinweg. Die Linken, aber auch die Grünen wittern eine Chance.

Letztere wollen ihre Großprojekte nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen nicht ad acta legen. Maria Klein-Schmeink war als gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion bei den Jamaika-Sondierungen stark involviert. Pflege und Bürgerversicherung – nicht nur im Hintergrund ist sie weiter gefragt. „Ich habe meine erste Bundestagsrede schon hinter mich gebracht und muss demnächst wieder zwei halten.“

Sie will weiter für die Bürgerversicherung werben. Ihr ehrgeiziges Ziel: Die Union sollte sich endlich einen Ruck geben. Sie hofft auch auf die Einrichtung von Fachausschüssen in der Übergangszeit, um endlich im Detail über Gesetze reden zu können.

Die Einsetzung von Fachausschüssen war eigentlich nur eine Idee der Linken – andere Fraktionen waren zunächst nicht dafür. Da die Sondierungen immer länger dauern, bröckelt diese Haltung. Im Moment gibt es bekanntlich nur einen Hauptausschuss für die gesamten Beratungen.

Die Bundestagswahl ist über zwei Monate her. Trotzdem sind reguläre Prozesse im Bundestag nicht in Sicht. Und was machen die Abgeordneten? Eine kleine Umfrage in der Region zeigt: Der Bundestag mag auf Sparflamme laufen, die Abgeordneten tun es nicht. Viele sind auf dem Weg von Berlin oder nach Berlin, wirken hektisch. „Wir denken hier nur von Woche zu Woche“, sagt Grünen-Abgeordnete Maria Klein-Schmeink aus Münster. Nicht nur sie sieht in der Situation auch Chancen.

►  Keine klaren Mehrheiten und Abläufe im Parlament : Der politische Alltag ist schwieriger geworden. Das spürt derzeit Anja Karliczek aus Tecklenburg, erst seit Januar Parlamentarische Geschäftsführerin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Ihr Job: das Alltagsgeschäft managen. Sitzungen des Ältestenrats vorbereiten, Tagesordnungen, Präsenz und Abstimmungen im Plenum organisieren. Eigentlich Routine. Das Problem: Den normalen Alltag gibt es im Moment nicht. Vieles ist im Fluss. „Das ist ganz klar ein höherer Arbeitsaufwand, aber es ist auch sehr spannend“, erklärt sie. Sie muss für jeden Tagesordnungspunkt die Fraktionen genau abfragen, um Mehrheiten zu organisieren. Die exakte Vorarbeit ist wegen der unklaren Verhältnisse bedeutender denn je. Unerlässlich ist auch die Pflege parteiübergreifender Kontakte.

►  Chancen für Gesetze abseits eingetretener Pfade: Gerade kleinere Parteien in der Opposition wollen derzeit mit fluiden Mehrheiten etwas durchsetzen – über die sonst oft unüberbrückbaren Gräben von Fraktionen und Regierungslinien hinweg. Die Linken, aber auch die Grünen wittern eine Chance. Letztere wollen ihre Großprojekte nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen nicht ad acta legen. Maria Klein-Schmeink war als gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion bei den Jamaika-Sondierungen stark involviert. Pflege und Bürgerversicherung – nicht nur im Hintergrund ist sie weiter gefragt. „Ich habe meine erste Bundestagsrede schon hinter mich gebracht und muss demnächst wieder zwei halten.“ Sie will weiter für die Bürgerversicherung werben. Ihr ehrgeiziges Ziel: Die Union sollte sich endlich einen Ruck geben. Sie hofft auch auf die Einrichtung von Fachausschüssen in der Übergangszeit, um endlich im Detail über Gesetze reden zu können. Die Einsetzung von Fachausschüssen war eigentlich nur eine Idee der Linken – andere Fraktionen waren zunächst nicht dafür. Da die Sondierungen immer länger dauern, bröckelt diese Haltung. Im Moment gibt es bekanntlich nur einen Hauptausschuss für die gesamten Beratungen.

Beispiel für aktuelle Projekte: Das im Grundgesetz verankerte Kooperationsverbot in der Bildung gilt vielen Politikern als überholt. Der Bund soll direkt an der Schulfinanzierung beteiligt werden. Inzwischen gibt es eine Bundestags-Mehrheit von SPD, Grünen, FDP und Linken für die Aufhebung. Die Linken kündigten auch eine Initiative an, den Mindestlohn auf zwölf Euro zu erhöhen. Dafür ist jetzt auch SPD-Vize Olaf Scholz. Die Grünen haben den schnellen Kohleausstieg beantragt, die SPD ein Einwanderungsgesetz.

►  Neulinge einbinden: Besonders unbefriedigend ist die Lage für Bundestagsanfänger, die noch kein Fachgebiet haben. Wie Ursula Schulte (SPD/Vreden) erklärte, übernehmen die Arbeitsgruppen der Parteien verstärkt die Aufgabe, sie einzubinden. Es gibt regelrechte Patenschaften.

►  Wähler bei der Stange halten : Vielleicht gibt es ja doch Neuwahlen, und die Wähler wollen genau wissen, was passiert. Sybille Benning (CDU) ist in dieser sitzungsfreien Woche in Münster – ganz bewusst. „Das ist gewonnene Zeit und eine Chance, sich mehr Zeit für die Menschen und Anliegen vor Ort zu nehmen“, sagt sie. Bundestagsneuling Karlheinz Busen (Gronau, FDP) nutzt die Zeit für Antrittsbesuche und Gespräche, auch um Bürgern das umstrittene Aus der FDP zu Jamaika zu erklären. Er will mit eigenen Initiativen – wie dem Vorstoß zum Abschuss von Wölfen – punkten.

► Mögliche Regierungssondierungen : Wer damit zu tun hat, ist ohnehin pausenlos unterwegs. Davon kann SPD-Abgeordneter Bernhard Daldrup (Sendenhorst) ein Lied singen. Seitdem die SPD wieder offen für Gespräche mit der Union ist, geht es von Termin zu Termin. Fraktionssitzung in Berlin, Landesvorstandssitzung in Düsseldorf, wieder nach Berlin zur SPD-Landesgruppe, Telefonschaltkonferenz Dieselgipfel, Tagung der SPD-Arbeitsgemeinschaft Kommunalpolitik (deren Sprecher er ist), SPD-Münsterlandausschuss und, und, und ... Für ihn ist es eine Phase „mit extremer Hektik“.

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